CdN Magazin 32 ePaper

20 VOR 4 0 JA H R E N CDN - MAG A Z I N 32 | 2 017 Elfmeterschießen mit 5:4 gewann und damit ins Finale einzog. Obwohl Klaus Fischer in 535 Bundes­ ligaspielen für den TSV München 1860, den FC Schalke 04, den 1. FC Köln und den VfL Bochum 268 Tore mit dem rechten wie dem linken Fuß, per Kopf- ball oder Seitfallzieher erzielte und seine Länderspielquote mit 32 Treffern in 45 Einsätzen vergleichbar eindrucks- voll war, wird der in sich ruhende und überaus freundliche Bajuware aus dem Bayerischen Wald zuerst über seine Kunstwerke beim Fallrückzieher defi- niert und identifiziert. „Abi, flank mal rein“ So war es früher beim Training „auf“ Schalke, als ihn die Fans schon mal dazu aufforderten, seine Spezialität zu de- monstrieren und Fischer seinem Freund Abramczik zurief, „Abi, flank mal rein“. Und so blieb es in seiner Fußballschule, die er noch immer im Sommer öffnet, wenn Eltern oder Großeltern ihren Kindern und Kindeskindern sagen, „das ist der Fischer, der mit dem Fallrück­ zieher“. Bis vor kurzem erfüllten sich auch dort die Wünsche nach einem Fall- rückzieher vom Meister persönlich. nebst erhobenem rechten Arm. Danach kehrte er wie seine Mitspieler umstands- los in den Alltag zurück. Noch am selben Abend fuhr Fischer mit seiner Frau und einem Freund nach Gelsenkirchen zurück. Als die Fahr­ gemeinschaft an einer Raststätte zum Tanken anhielt, flimmerte gerade Fischers Geniestreich über einen kleinen Bildschirm, und der Tankwart sagte im Brustton der Überzeugung: „Das wird das Tor des Jahres.“ „Erst in diesem Moment“, sagt der 67 Jahre alte Schütze heute, „ist mir die Besonderheit dieses Treffers bewusst geworden“. Dreimal traf der noch immer in Gelsen- kirchen-Buer wohnhafte Bayer mit der schwersten aller möglichen Varianten: per Fallrückzieher. Am 27. September 1975 im Bundesligaspiel beim Karls­ ruher SC zum 2:0 (Endstand: 2:2) nach einem Eckball von Hannes Bongartz; 1977 in Stuttgart gegen die Schweiz; und 1982 im WM-Halbfinale, in der „Nacht von Sevilla“, gegen Frankreich, als er nach Littbarskis Flanke und Hrubeschs Kopfball den 1:3-Rückstand in der Verlängerung spektakulär zum 3:3 egalisierte, ehe die deutsche Nationalmannschaft im anschließenden Klaus Fischer, der Mittelstürmer des FC Schalke 04, zu seiner Glanzzeit fast so gut wie der unvergleichliche Gerd Müller vom FC Bayern München, schien bei seinem Fallrückzieher im damaligen Neckarstadion wie vom Himmel gefal- len: Im Länderspiel gegen die Schweiz erzielte er nach einer von der rechten Seite auf die Höhe des Elfmeterpunkts geschlagenen hohen und weiten Flanke seines Schalker Weggefährten Rüdiger Abramczik, artistisch mit dem Rücken zum Tor und technisch perfekt mit dem rechten Fuß, das Tor des Abends beim 4:1-Sieg im Länderspiel Deutschland gegen die Schweiz. Gefeiert wie jedes seiner Tore Akrobat schööön! Na und? Viel Aufhe- bens über diese spektakuläre Heldentat machten danach weder der Torschütze noch die Medien, damals repräsentiert durch das öffentlich-rechtliche Fern­ sehen und die Zeitungen. Heutzutage hätte das sportliche Naturereignis auf allen Kanälen des Internets und der sozi- alen Medien einen tagelang vernehmli- chen Nachhall gehabt. Der Torschütze selber feierte seinen schönsten Treffer wie jedes seiner 32 Tore in seinen 45 Län- derspielen: mit einem kleinen Jubellauf 1 6 . NOV EMB E R 1 9 7 7 I M S TUT TGART E R NECKAR S TAD I ON K L AU S F I S CHE R S JAHRHUNDE RT-TOR P E R FA L L RÜCK Z I EHE R T RAUMHA F T, UNV E RG L E I CH L I CH Es war ein grauer, wolkenverhangener, nasskalter Buß- und Bettag an diesem 16. November 1977 in Stuttgart vor 40 Jahren, den ein deutscher Fußball-Nationalspieler auf seine Weise erleuchtete – mit einem Treffer, der in der ARD-Sportschau zunächst zum Tor des Monats, später zum Tor des Jahres, dann zum Tor des Jahrzehnts, schließlich zum Tor des Jahrhunderts gekürt wurde. Klaus Fischers Traumtor per Fallrückzieher beim 4:1-Sieg gegen die Schweiz.

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