CdN Magazin 35 ePaper

A K T U E L L I M B L I C K P UNK T CDN - MAG A Z I N 35 | 2 01 8 15 zum ersten Mal erlebe ich das Gefühl, dass da eine richtige Mannschaft auf dem Platz steht“, sagte er. Und orakelte: „Wir haben das Zeug, Europameister zu werden.“ Und sie wurden Europameister. Oliver Bierhoffs Golden Goal sei Dank. Und Andy Köpkes Paraden. Und Matthias Sammers Willen. Und Jürgen Klinsmanns Toren. Und, und, und. Der Trainer hat seine eigene und bestimmt richtige Perspektive. Berti Vogts’ Theorie für den Erfolg seiner Spieler? „Sie haben aufopferungsvoll gekämpft. Diese Spieler sind ausgebrochen aus ihrer Wohlstandsgesellschaft“, sagte der Bundestrainer, „es war der Triumph des großen inneren Zusammenhalts“. Anderer Spielstil Für die aktuelle Nationalmannschaft existieren also gute Vorbilder. Klammert man 1954 und 1960 (Deutschland hat auf die Teilnahme an der EM verzichtet) aus, lässt sich die Vergangenheit sogar zu einer Regel komprimieren: WM-Titel + 6 Jahre = EM-Titel. So war es 1974 und 1980, so war es 1990 und 1996. Warum soll das nicht ein drittes Mal gelingen? Löws Zukunft beginnt im September mit dem Start in die neue UEFA Nations League gegen Weltmeister Frankreich. Am 6. September tritt die Mannschaft in München gegen die „Equipe Tricolore“ an. Wie wird das Gesicht der Mannschaft aussehen? Welche Änderungen wird es im Umfeld geben? Welche auf dem Platz? In den kommenden Wochen werden Weichen gestellt und weitere wichtige Gespräche geführt. Soviel scheint gewiss: Die Mannschaft der Zukunft wird jünger sein, ihr Spielstil könnte sich ändern. Nach dem bitteren K. o. von Kasan wird sich seine Mannschaft den in Russland ver- spielten Kredit wieder erkämpfen, erarbeiten müssen. Deutschland wird bergauf spielen müssen. Und darauf kann man sich freuen. Thomas Hackbarth/Steffen Lüdeke eins nach Italien. Der Abwehrchef wurde lange gesucht, auch, weil Top-Kandidat Ulli Stielike bei Real Madrid spielte und es keine Verpflichtung zur Freigabe gab. Bis zuletzt hielt Derwall deshalb am Kölner Bernd Cullmann fest, neben Rainer Bonhof der letzte Verbliebene aus dem Weltmeister-Kader von 1974. Aus der Not machte Derwall eine Jugend. Viele von Derwalls Fixsternen waren unter 25: Vorstopper Karlheinz Förster (21), Mittelfeld-Rackerer Hans-Peter Briegel (24), die Spielmacher Bernd Schuster (20) und Hansi Müller (22) sowie die Stürmer Klaus Allofs (23) und Karl-Heinz Rummenigge (24) waren alle- samt noch titelhungrig. Geführt wurden sie von den Leit­ wölfen Bernard Dietz und Ulli Stielike, das Embargo für Legionäre wurde aufgehoben. Selten soll der Zusammenhalt der Nationalelf größer gewesen sein als in jenen Monaten vor und bei der EM 1980 – und das war auch auf dem Platz zu sehen. Nach dem 3:1 im letzten EM-Test über die Polen attestierte der Kicker auf Seite 1: „Unsere Nationalelf ist für die EM gerüstet.“ Und lag damit ziemlich gut: wenig später war Deutschland zum zweiten Mal Europameister. Einer enttäuschenden WM den EM-Titel folgen lassen – dieses Muster gab es auch 1994 und 1996. Wobei Berti Vogts neben einigen Umstellungen innerhalb seiner Mannschaft auch und vor allem Änderungen bei einer Person vornahm: Berti Vogts. Die Spieler jedenfalls schwärmen noch heute von der neuen Gelöstheit ihres Trainers. Etwa Thomas Helmer, der über Berti Vogts in der Version von 1996 sagt: „Er war kommunikativer und lockerer. Wir hatten damals einfach viel Spaß in der Gruppe.“ Spaß war ein Rezept, daneben auch ein Fakt, den Vogts in einem bis heute legendären Spruch zusammenfasste: „Der Star ist die Mannschaft.“ Nur noch sechs Weltmeister von 1990 waren dabei – und das war gut so. Deren Konservierung war 1994 grandios gescheitert, nun galt: je weniger, desto größer der Hunger. Jürgen Kohler, 1990 in Rom auf dem Platz, hielt vor dem ersten Spiel spontan eine Rede. „Jungs,

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