CdN Magazin 35 ePaper

20 D E R WM -T R I UMP H D E S DD R - F U S S B A L L S CDN - MAG A Z I N 35 | 2 01 8 „Ich hatte eine Torchance, hab sie aber nicht genutzt. Vielleicht war ich zu auf- geregt, bin hin- und hergerannt. Es kam aber nicht so viel raus.“ Prompt sitzt der Rechtsaußen im zweiten Spiel gegen Chile draußen. Diesmal reißt Streich keine Bäume aus. „Ich hatte mit Heu- schnupfen zu kämpfen, zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben. Das soll aber keine Ausrede sein, ich war nicht gut.“ Linksaußen Martin Hoffmann trifft beim 1:1 gegen die Südamerikaner für die DDR. Und Jürgen Sparwasser? Macht schon seine zweite Partie im Mittelfeld – man kann sagen: er spielt sich ein für den großen Tag. Sieger schon vor dem Spiel Der 22. Juni 1974 beginnt mit einer Premiere: Im DDR-Bus wird auf dem Weg ins Volksparkstadion gesungen. Unmittelbar vor der Abfahrt hatte das Unentschieden zwischen Australien und Chile die Runde gemacht. Damit sind beide deutsche Teams vor ihrem direkten Duell für die nächste Runde qualifiziert. Der große Druck war also weg. DDR-Trainer Buschner überrascht im dritten Spiel mit der dritten Angriffs­ formation. Sparwasser rückt auf Rechts- außen vor. Zwischen ihm und Links­ außen Hoffmann kommt Kreische zu seinem ersten WM-Auftritt über die volle Spielzeit. Der Regisseur und Torjäger von Dynamo Dresden agiert als Zehner hinter den beiden Spitzen. In der ersten Hälfte hat er die Riesen- chance zum Führungstreffer für das Team der DDR. Und vergibt. „Das ärgert mich noch immer bis heute“, sagt er. Kurz nach dem Seitenwechsel schickt der Coach den Leipziger Löwe zum Warmmachen: „Wolfram, Du kommst gleich rein!“ Etwa für Sparwasser? Es steht noch immer torlos. Löwe ver­ mutet, dass er als Konterspieler versu- chen soll, das vielleicht entscheidende Tor zu erzielen. Zehn Minuten später ist seine Verwunderung groß, als Harald Irmscher (41 LS) den Rasen verlässt und Erich Hamann (3 LS) eingewechselt wird. „Vielleicht war der Harald ja verletzt oder Georg Buschner plötzlich doch auf Halten bedacht“, mutmaßt Löwe mit dem Abstand von 44 Jahren. Streich. Auf Rechtsaußen bekommt Wolfram Löwe gegen den Weltmeister von 1966 seine Chance. Magdeburgs Mittelstürmer Sparwasser (49 LS) aber muss ins Mittelfeld. Immerhin darf er von Anfang an spielen. Gegen Nor­ wegen schmorte er Tage zuvor die ersten 72 Minuten auf der Bank, machte dann aber das entscheidende Tor und bekam gute Kritiken. Gegen England ersetzt er nun den noch um WM-Form ringenden Hans-Jürgen Kreische. Das Experiment geht auf. „Vielleicht war ‚Spari‘ die erste ‚falsche Neun‘ im Ost- fußball“, lacht Joachim Streich, Löwe weiß noch: „Der Jürgen kam doch immer aus der Tiefe, das war sein Spiel.“ Und 1974 war sein Jahr. Am Triumph im Europapokal mit dem 1. FC Magdeburg hatte Sparwasser gehörigen Anteil. Im Halbfinale war ihm der Siegtreffer gegen Sporting Lissabon gelungen. „Das wichtigste Tor meiner Karriere – und nicht das Tor von Hamburg“, wird er nicht müde zu betonen. „Ohne das 2:1 gegen die Portugiesen wären wir nicht ins Finale gegen den AC Mailand eingezogen“, sagt Jürgen Sparwasser. Mit Vogel und Löwe Durch Sparwassers Auftritte hatte Trai- ner Buschner ein Luxusproblem. Wohin nun mit Peter Ducke und Hans-Jürgen Kreische, über viele Jahre die Tor­ garanten im DDR-Fußball? Als die DDR in Quickborn bei Hamburg Quartier bezieht, sind beide dabei. Zum WM- Auftakt gegen Australien entscheidet sich der Trainer aber für die Angriffs­ reihe vom England-Test, also mit­ Vogel, Streich und Löwe. Sparwasser findet sich erneut als hängende Spitze im Mittelfeld wieder. Nach knapp einer Stunde sieht sich Buschner bestätigt: Sparwasser kommt tatsächlich aus der Tiefe – und trifft. Doch das erste WM-Tor für die DDR wird dem Austra­ lier Curran zugeschrieben. Der will den Ball eigentlich nur von der Linie kratzen und hämmert ihn dabei mit voller Wucht in die eigenen Maschen. Wenig später macht Joachim Streich mit einem bildschönen Treffer zum 2:0 den Auftaktsieg perfekt. Wolfram Löwe ist nach dem Spiel mit sich unzufrieden: 1_Medaillensammlung: Erinnerung an viele große persönliche Erfolge. 2_Besondere Beziehung: Sparwasser und das DDR-WM-Maskottchen 1974. 3_Bademantel-Party: Sparwasser, Martin Hoffmann und Manfred Zapf nach dem Europapokalsieg mit Magdeburg 1974 gegen den AC Mailand. 4_Vorbereiter und Vollender: Erich Hamann und Jürgen Sparwasser. 5_Sieger schon vor dem Spiel: Das DDR-Team war bereits beim Anpfiff in Hamburg ebenfalls für die zweite Finalrunde qualifiziert. 1 2

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