CdN Magazin 37 ePaper

35 Assistent von Bundestrainer Schön, dafür verantwortlich, dass ich doch noch meine Chance bekam. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr erstes Länderspiel? Das erste Länderspiel war für mich, obwohl ich ja schon viel Erfahrung in der Oberliga und Bundesliga gesammelt hatte, eine große Ehre, aber auch eine furchtbar schwere Aufgabe. Der Druck war immens und ich war anfangs ziemlich ge- hemmt. Wir mussten ja in Stockholm gewinnen, ansonsten hätte sich Deutschland nicht für die WM 1966 qualifiziert. Erinnern Sie sich noch an einzelne Szenen? Ja, klar. Meine Aktion unmittelbar vor dem Siegtor werde ich nie vergessen. Endlich konnte ich mich im direkten Zweikampf im Dribbling so durchsetzen, wie es die ganze Saison über geschah. Ich ging mit dem Ball am Fuß direkt Richtung Tor, zog aber zu früh ab, sodass der schwedische Torhüter den Ball gerade noch mit einer Hand abwehren konnte – direkt vor die Füße von Uwe Seeler, der zum 2:1 abschloss. Eigentlich wäre es mehr meine Art gewesen, auch noch den Torwart auszuspielen. Bis heute weiß ich nicht, warum ich das in dieser Aktion nicht getan habe. Doch im- merhin hatte ich einen hohen Anteil am Sieg und damit daran, dass die Tickets nach England gelöst werden konnten. Ich bin grundsätzlich nicht neidisch, aber ich räume ein, dass es für mich schade ist, dass in vielen Rückblicken immer nur Uwes Abstauber-Tor und nicht auch meine Aktion gezeigt wurde. Meine Vorarbeit beim Debüt war eine große Ge- schichte, sie war aber kleiner als die Geschichte von Uwe Seeler, der nach seinem Achillessehnen-Riss erstmals nach fast einem Jahr wieder dabei war. Mit Ihnen gab gegen Schweden in Stockholm ein anderer Münchner sein Länderspiel-Debüt, Franz Beckenbauer mit damals 20 Jahren … … und beim Franz kamen ja, im Gegensatz zu mir, tatsächlich noch ein paar weitere Länderspiele hinzu (lacht). In Stockholm haben Sie die Weichen mitgestellt, dass die Nationalmannschaft sich für die WM in England qualifi­ zieren und dort Vize-Weltmeister werden konnte. Doch für den WM-Kader 1966 wurden Sie nicht nominiert. Wie denken Sie heute darüber? Zwei Wochen nach dem Sieg in Schweden haben wir gegen Österreich gespielt, und meine Hoffnung war groß, dass ich wieder zum Einsatz kommen würde. Als ich dann für 90 Minu- ten auf der Bank schmoren musste, ahnte ich, dass es für mich nicht einfach werden würde, viele Spiele in der Nationalmann- schaft zu machen. Herr Grosser, wann waren Sie das letzte Mal bei einemHeim- spiel von 1860 München und haben sich richtig gefreut? Das ist gar nicht lange her, Anfang Dezember gegen Zwickau. Da haben die Sechziger nach langer Zeit mal wieder 2:0 gewonnen und ich konnte mich über eine Superleistung der Mannschaft freuen. Sie sind also bis heute ein „Löwe“ mit Leib und Seele? Mein Herz schlägt für drei Vereine. Für den FC Bayern, der ursprünglich mein Verein war. Für die SpVgg Unterhaching, wo ich bis zum Ende meiner Fußballkarriere als Trainer und Funktionär tätig war. Und natürlich die Sechziger, denen ich mich mit Haut und Haaren zugehörig fühle. Auch wenn ich es bis heute nicht verstehe, warum 1860 aus der wunderbaren Allianz-Arena raus- und ins marode „Grünwalder“ zurückge- gangen ist. Große Ziele sind damit unvereinbar. Sie haben sechs Jahre für die Sechziger gespielt. Es waren sensationelle Jahre, deren Erfolge die Fans bis heute imHinterkopf haben. DFB-Pokalsieg 1964, Europapokal-Finale 1965 und schließlich der Meistertitel 1966. Wie sieht es mit Ihrer Verbundenheit mit dem FC Bayern aus? Dort sind Sie als Fußballer erwachsen geworden und haben in den fünf Jahren bis zur Gründung der Bundesliga 1963 in 134 Oberliga-Spielen 49 Tore geschossen. Richtig. Bis zur Einführung der Bundesliga war ich der Spieler, der die meisten Tore für den FC Bayern erzielt hatte. Wie kam es überhaupt zu Ihrem Farbwechsel in München, von den Roten zu den Blauen? Es gab damals einen Machtkampf im Bayern-Präsidium. Ich wollte eigentlich beim FC Bayern bleiben, bin aber zwischen die präsidialen Mühlsteine geraten und bekam keinen neuen Vertrag. Das erwies sich als Glücksfall für die Löwen. Sie waren als Spielmacher, Torjäger und Kapitän hauptverantwortlich für deren beste Zeit mit historisch großen Triumphen. Eine Entwicklung, die für Sie persönlich in der Premiere für die Nationalmannschaft gipfelte. Als die Einladung von Bundes­ trainer Schön kam, waren sie fast 27 Jahre alt. Haben Sie mit dieser Berufung so spät noch gerechnet? Ja! Zum einen wegen meiner wirklich hervorragenden Saison bei 1860 München auf demWeg zur deutschen Meisterschaft. Zum anderen gab es viele Absagen, unter anderem von Etablierten wie Wolfgang Overath und Helmut Haller, sodass ein offensiver Mittelfeldspieler dringend benötigt wurde. In erster Linie war aber Dettmar Cramer, der Taktiker und S E R I E : ME I N E R S T E S L ÄND E R S P I E L CDN - MAG A Z I N 3 7 | 2 01 8 Peter Grossers erstes Länderspiel war ein sehr wichtiges: In der Qualifikation für die WM 1966 musste in Schweden unbedingt ein Sieg her. Der Sieg kam her. Und der Debütant hatte daran großen Anteil. Er bereitete den Siegtreffer vor. Zum Interview mit dem CdN-Magazin bittet Grosser in das „Löwen-Stüberl“, in dieser legendären Vereinsgaststätte spricht er über die Umstände seiner unvollendeten Karriere als Nationalspieler, seine dreifache Münchner Fußball-„Staatsbürgerschaft“ und über private Schicksalsschläge.

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