CdN Magazin 33 ePaper

Z WE I TOR E Z UM E I N S TAND I M NAT I ONA LT E AM CDN - MAG A Z I N 3 3 | 2 017 32 Training vor dem Frankreich-Spiel war nicht sehr intensiv, ich konnte mitma- chen. Nach der Einheit habe ich mich wieder behandeln lassen. Bei den kom- menden Trainingseinheiten in der Sportschule Wannsee fühlte ich mich immer besser. Am Morgen vor dem Länderspiel sagte Erich Deuser zu mir: „Hans, ich glaube, Du spielst morgen. Ich habe Andeutungen gehört, dass der Bundestrainer Dich aufstellen wird.“ Ich sagte ihm: „Herr Deuser, machen Sie mich nicht fertig.“ Ich war fürchterlich aufgeregt. War die Aussicht auf einen Einsatz die beste Medizin? Eindeutig. Dass ich tatsächlich fit wurde und dann auch spielen durfte, war natür­ lich mit einem großen Glücksgefühl verbunden. Noch dazu mit einer solch starken Mannschaft. Ich kann die Auf- stellung heute noch aufzählen. Im Tor stand Sepp Maier. In der Viererkette, wobei wir damals ja einen Libero hatten, spielte rechts Bernd Patzke, dann Willi Schulz, Wolfgang Weber und Horst- Dieter Höttges. Im Mittelfeld neben mir Franz Beckenbauer und Wolfgang Overath, rechts außen Stan Libuda, Mittelstürmer Uwe Seeler und links außen Hannes Löhr. Und dann saß neben Gerd Müller auch noch Heinz Hornig auf der Bank, der tolle Links­ außen vom 1. FC Köln. Was wissen Sie noch vom Spielverlauf? Alles bis ins Detail. Reinhard Libuda machte das 1:0. Dann habe ich das 2:0 und 3:0 erzielt. Gerd Müller machte, für den verletzten Franz Beckenbauer ein- gewechselt, das 4:0. Dann fiel das 4:1, und Wolfgang Overath sorgte mit einem Freistoß für das 5:1. Am nächsten Tag standen überschwängliche Kritiken in der Zeitung. Ich habe mich wirklich super gefühlt. Welche Reaktionen kamen von Ihrem Verein? Nach dem Spiel kam mein damaliger Trainer Horst Buhtz zu mir, um zu gra­ tulieren. Ich habe als Erstes gefragt: „Herr Buhtz, wann ist morgen Training?“ Er hat gelacht. Das werde ich nie verges- sen. Seine Antwort war: „Mal langsam, mal langsam. Du hast ein schweres Spiel hinter Dir. Komm erst mal nach Hause, und dann wollen wir weitersehen.“ Am nächsten Morgen bin ich nach Hause geflogen und nachmittags zum Training gegangen. Und natürlich habe ich mich bei Erich Deuser für seine tolle Arbeit noch mal bedankt. Warum war das damalige Spiel gegen Frankreich etwas ganz Besonderes? Gegen Frankreich waren es immer besondere Länderspiele, auch wenn es bei meinem Debüt in der National- mannschaft nur um ein Freundschafts- spiel ging. Deutschland hatte mit die- sem Sieg das erste Mal seit 30 Jahren wieder gegen Frankreich gewonnen. Ich habe eine DVD, auf der alle Tore dieses Spiels festgehalten sind. Man spürt bis heute noch die besondere Atmosphäre vor dieser großen Kulisse. Ich war schon nervös, als die Nationalhymne gespielt wurde. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Mir standen auch ein wenig die Tränen in den Augen. Wie sind Sie als Neuling von den eta­ blierten Nationalspielern empfangen worden? Ganz normal. Wir kannten uns schon von der Bundesliga. Ich fühlte mich von Beginn an akzeptiert. Es gab keinen Futterneid. Nur hinterher habe ich ge- merkt, dass die etablierten Spieler et- was skeptisch waren. Ich hatte sehr gute Kritiken bekommen. Die Frage war, ob ich deswegen abheben würde. Aber da gab es für mich überhaupt keine Proble- me. Ich war als Fußballer nie überheblich. Wie muss man sich das Miteinander der Nationalspieler in der damaligen Zeit vorstellen? Es war ganz anders als heute, der Kon- takt war nicht so intensiv. Vor dem Frankreich-Spiel hat- te jeder von uns sein eigenes Zimmer, was eigentlich nicht die Regel war, und konn- te sich zurückziehen. Für mich war es wichtig, dass ich auch mal mit jeman- dem reden konnte. Uwe Seeler hat zu mir beim ersten Län- derspiel gesagt: „Hans, spiel so, wie Du in Hannover spielst. Dann machst Du alles richtig. Und sei nicht nervös. Lauf auf den Platz und mach Dein Ding.“ Das fand ich ganz toll von ihm. Er hat mir auch nach dem Spiel gratuliert und sich sehr für mich gefreut. Vor meinem zweiten Länderspiel gegen Jugoslawien, auf das wir uns in Malente vorbereitet haben, hatte man schon mehr Kontakt untereinander. Allein schon durch die Zweierzimmer. Mein Zimmergenosse war Franz Beckenbauer. Beckenbauer hatte danach eine große Karriere – im Verein und mit der Na­ tionalmannschaft. Ihre Karriere ging in der Bundesliga weiter. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem sportlichen Werde- gang und Ihrem Lebensweg? Ich bin auf jeden Fall zufrieden. Ich habe neun Jahre für Hannover 96 gespielt und 72 Tore in 278 Bundesligaspielen geschossen. Wäre ich gewechselt, hätte ich vielleicht auch mehr Geld verdient. Denn die Neuzugänge haben meistens mehr verdient als die etablierten Spieler. Weshalb kam ein Vereinswechsel nicht zustande? Ich hatte mein Haus und meine Familie in der Region. Da wollte ich einfach «M I R S TANDEN D I E TR ÄNEN I N DEN AUGEN . » 1

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