CdN Magazin 36 ePaper

19 So wichtig war das Turnier für künftige Erfolge und meine weitere Karriere. Das erwarte ich von den Menschen in Deutschland für die EURO 2024 in Deutschland. Welche Rolle wird die National­ mannschaft beimTurnier in sechs Jahren spielen? Welche Bedeutung hat die EURO 2024 für Deutschland und den deutschen Fußball? Wichtig für mich war vor allem meine Gesundheit. Vor dem Halbfinale gegen die Nieder­ lande hat Franz Beckenbauer heimlich Bayern-Doc Müller- Wohlfahrt in unser Trainings- camp einfliegen lassen. Unbemerkt von unserem Mann­ schaftsarzt hat „Mull“ mich genau untersucht und die richtige Diagnose gestellt, sodass ich rechtzeitig für die neue Saison wieder fit werden konnte. Ich hoffe, dass wir als offene, freundliche und hilfsbereite Gastgeber die Willkommens­ kultur von 2006 wiederaufleben lassen und erneut ein fröhliches Fußballfest feiern. Dass die größten Talente unter den heute 16- bis 18-Jährigen in sechs Jahren offensiven, begeisternden und erfolgreichen Fußball präsentieren. Es wäre schön, wenn die EURO 2024 Vorbilder hervorbringt, die unsere Kinder motivieren, sich verstärkt in die Vereine zu bewegen und sich dort mit dem Fußball körperlich zu betätigen. Ich bin als Stammspieler des Nationalteams zum FC Bayern gewechselt. Danach musste ich etliche Verletzungen überwinden und habe dabei die „10“ an Lothar Matthäus verloren. Aber generell kann man sagen, dass wir und ich die EM als Zwischen- station gebraucht haben, um zwei Jahre später Weltmeister zu werden. Alles wird vorbereitet sein für einen ähnlichen Sommer wie 2006. Hoffentlich auch in puncto Gastfreundschaft und beim fröhlich-friedlichen Miteinander mit den anderen Teams und ihren Fans. Wenn dazu der Wettergott mitspielt wie 2006, werden wir abermals ein Turnier der Super- klasse erleben. Für ein solches Orakel bin ich nicht zuständig. Ich hoffe nur, dass der Ballast der WM-Blamage 2018 möglichst schnell aus dem Gepäck verschwindet. Der Fußball wird auf vielen Ebenen profitieren. Schon durch das Face-Lifting bei unseren Stadien. Dieser EURO-Zuschlag wird hoffentlich mehr Geld für den Amateurfußball bedeuten und zu starken Investitionen im Nachwuchsbereich führen, damit wir in sechs Jahren eine ähnliche Situation haben wie jetzt Frankreich mit seinen Supertalenten. 1988 wurde die Basis geschaffen, dass wir mit allen deutschen Fans im Rücken zwei Jahre später in Italien Weltmeister wurden. Mit drei Spielern von Inter, Matthäus, Brehme und mir, sowie mit Völler und Bert- hold aus Rom hatten wir in Mai- land praktisch fünf Heimspiele. Es wäre schön, wenn die ganze Welt wieder einmal feststellen kann, welch ein weltoffenes, tolerantes, vielfältiges und freundliches Gastgeberland wir sind. So wie es schon 2006 beim Sommermärchen der Fall gewesen ist. Ich hoffe, dass wir mindestens ins Halbfinale kommen. Den Heimvorteil zu haben und damit einen Extraschub an Motivation, das passiert eigentlich nur ein- mal im Verlauf einer Spieler­ karriere. Dieses Heimturnier ist eine riesige Chance, die Menschen über den Fußball als gemeinsames Binde- glied einander wieder näher zu bringen. Zudem wird 2024 helfen, den Nachwuchs zu inspirieren, ihn zum Fußball zu bringen und ihn an ihn zu binden. Dass ich als Shootingstar bei der WM 86 zwei Jahre später nicht richtig zum Zug kam, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Mit Franz Beckenbauer hatte ich ein langes Gespräch bei ihm zu Hause in Kitzbühel. Seine Rat- schläge haben mir im Hinblick auf die WM 1990 sehr geholfen. Jetzt müssen wir hoffen, dass die deutschen Fans ihre National­ mannschaft bis dahin wieder liebgewinnen und so mit ihrer Begeisterung eine generelle Turnier-Euphorie auch den anderen Teams gegenüber bewirken. Dann wären die Weichen gestellt für eine Gast- geberrolle, wie wir sie 2006 erlebt haben. Es wird, so befürchte ich, Jahre dauern, um wieder in die Welt­ spitze zu kommen. Ich drücke die Daumen, dass dies mit den notwendigen Maßnahmen bis 2024 gelingen wird. Welt- und sozialpolitisch befinden wir uns in turbulenten Zeiten. Es wäre sehr hilfreich, wenn der Fußball 2024 seine integrative Kraft völkerübergreifend ein­ setzen könnte. Und wundervoll wäre es, wenn unsere Kinder von ihrem endlosen Gefummel an den digitalen Endgeräten weg- geholt und wieder auf die Spiel- und Sportplätze gebracht würden. S 0 WA R 1 9 8 8 – S O W I R D 2 0 2 4 CDN - MAG A Z I N 3 6 | 2 01 8

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