CdN Magazin 36 ePaper

A K T U E L L I M B L I C K P UNK T CDN - MAG A Z I N 3 6 | 2 01 8 42 Jens Adler und zeigt in die Richtung Kabinentrakt: „Wir saßen damals in einer ollen Baracke, die wurde nach dem Saale-Hochwasser 2013 abgerissen.“ Mit 18 gibt „Adel“, wie er in Halle genannt wird, sein Debüt in der DDR-Oberliga. Es ist der Rückrundenauftakt gegen Vorwärts Frankfurt/Oder. Vor ihm hält mit Lothar Kurbjuweit, in Montreal ’76 mit der DDR-Auswahl Olympiasieger geworden, ein ganz erfahrener Mann die HFC-Abwehr zusammen. Nervös? Sei er nicht gewesen, sagt Jens Adler. Dafür war gar keine Zeit, denn noch am Vormittag hatte er in der „Zweiten“ gespielt. „In der Bezirksliga gegen Dynamo Halle-Neustadt. Null zu null stand es zur Pause.“ All das weiß er noch, als wäre es gestern gewesen. Zur Halbzeit sei Adler dann ausgewechselt worden, er soll zum Klubchef kommen, dringend sei es, so hieß es. Bernd Bransch fragte ihn dann direkt: „Traust Du Dir zu, am Nachmittag in der Ersten zu halten?“ Adler traute sich und bekommt nach dem 0:0 gegen Frankfurt Lob von allen Seiten: „Im Sportecho war ich sogar in der Elf des Tages!“ Und die „FUWO“, das Fußball-Fachorgan im Osten, kom- mentiert wohlwollend: „Adler strahlte von Anfang an Ruhe aus“. „Letzte Runde!“ Das Spezialtraining mit den jungen Keeper-Talenten neigt sich dem Ende. Trotzdem duldet Jens Adler kein W I E J ENS AD L E R ZUM L E T Z T EN DDR - NAT I ONA L S P I E L E R WURDE ZWE I M I NUT EN EW I GK E I T Halle in diesen Tagen. Die Altweiber- sonne blinzelt durch das spärliche Laub der hohen Bäume am „Sandanger“. Das Nachwuchszentrum des Halleschen FC liegt in der Saale-Aue, genau zwischen der Altstadt und Halle-Neustadt. Im Halbschatten schwitzen Franz, Leo, Marcel und Niklas. Torwarttraining ist angesagt. Die vier Teenager meistern gerade den kleinen Hürdenwald, um dann in Richtung Pfosten zu fliegen. Mal nach links, mal nach rechts. „Gut so!“, ruft der Trainer und feuert den nächsten Schuss ab. „Den hättste festhalten müssen!“, kommentiert der Mann in der roten Trainingsjacke und streicht sich kurz den Schweiß von der Stirn. Eine Legende in Halle Der Mann in der roten Trainingsjacke ist Jens Adler. Und Jens Adler ist eine Legende. In Halle sowieso, aber auch darüber hinaus. Einem wie ihm hört man zu, seinen Anweisungen leistet man Folge. Der 53-Jährige weiß, wie lang und beschwerlich der Weg für seine Jungs ist. 1974 hatte er selbst im Tor begonnen, hier auf dem „Sandanger“, der schon zu DDR-Zeiten die Heimat der jungen HFC-Fußballer war. Für den gebürtigen Hallenser war der Weg zum Fußball vorgezeichnet. „Keine zehn Minuten von hier bin ich groß geworden. Da drüben, wo jetzt die Container stehen, hab ich mich damals umgezogen“, erzählt Nachlassen: „Richtig abdrücken! Wir sind nicht auf der Couch!“ Wenig später haben es Franz, Leo, Marcel und Niklas geschafft. Der Trainer drückt jedem mit der geschlossenen Hand kurz gegen die Faust, der Keepergruß: „Gut gemacht. War ordentlich!“ Adler ist der ruhige, sachliche Typ, große Sprüche sind nicht sein Ding. Für ihn ist Feierabend für heute, für die Jungs aber geht es weiter. Der Torwarttrainer verabschiedet sie mit den Worten: „Dehnung, kurze Pause, dann geht Ihr zum Mannschaftstraining!“ Sonntag gehts nach Kienbaum Adler schultert die Hürden, schnappt sich einen Ball und nimmt mich mit zum Kabinentrakt. Unaufgefordert kommt er zum Anlass unseres Treffens: „Eigentlich meldet sich ja jedes Jahr im September jemand von der Presse“, sagt er und fügt lachend an: „Aber es gibt ja wirklich Schlimmeres. Ich bin nun mal der letzte DDR-Nationalspieler.“ Wir sitzen im spartanisch eingerichteten Container-Büro. Der Kaffee dampft aus der Tasse. Neugierig betrachtet Adler die offizielle Einladung vom Deutschen Fußball-Verband der DDR für das Spiel gegen Belgien. Ursprünglich sollte es um die Qualifikation zur EM 1992 gehen. Doch die Wende machte aus der Partie ein Freundschaftsspiel. Ein Spiel, aus dem Fußballgeschichte wurde. Drei Wo- chen nach dem 12. September gab es die DDR nicht mehr. Ich habe die Einladung mitgebracht, hatte sie in irgendeinem Archiv gefunden. „Anreise Sonntag, 09.09.90 bis 18 Uhr Sport- schule Kienbaum. Mitzubringen sind Reisepass, Arztmitteilung, Anzug und Krawatte“, liest Jens Adler vor und erinnert sich daran, wie er von seiner Berufung erfuhr: „Ein paar Tage zuvor war ich mit meiner Frau in der Stadt. Als wir abends nach Hause kamen, fanden wir einen Zettel an der Tür. Sonn- tag geht’s zur Nationalmannschaft nach Am 12. September 1990 schrieb Jens Adler (53) Fußball-Geschichte. Der Torhüter vom HFC Chemie wurde beim letzten Länderspiel der DDR-Nationalmannschaft in der Nachspiel- zeit eingewechselt. Für gut zwei Minuten stand der Hallenser damals bei seinem Debüt im DDR-Trikot auf dem Rasen. Damit wurde Adler der letzte von insgesamt 273 National- spielern der ehemaligen DDR. Und heute? Was macht Adler 28 Jahre später? Autor Uwe Karte hat Jens Adler in Halle besucht.

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