CdN Magazin 36 ePaper

A B S CH I E D S S P I E L B A S T I AN S CHWE I N S T E I G E R CDN - MAG A Z I N 3 6 | 2 01 8 47 und zusammenhielt. So einen braucht jedes Team: einen der fühlt, wie es den anderen geht, der weiß, was sie gerade brauchen. Als Thomas Müller im Viertel­ finale der WM 2010 gegen Argentinien eine unberechtigte Gelbe Karte erhielt, die ihn das Halbfinale kostete, war Schweinsteiger gleich da, ihn zu trösten und aufzumuntern. Als Miroslav Klose das 2:0 erzielte und das ganze Team den Torschützen herzte, war Schweinsteiger bei Müller, der den Treffer im Sitzen mit einem rotzfrechen Pass auf Podolski erfunden hatte. War da, um seinem Kumpel zu sagen: Dein Tor. Kämpfer und Teamplayer Auch 2014, im Finale von Rio, war er der einzige außer Manuel Neuer, der nicht zum Torschützen rannte, zu Mario Götze. Er trabte zurück, Kräfte sparen. Keiner lief mehr als er in diesem Finale, über 15 Kilometer. 55 Sprints, andert- halbmal so viele wie Messi. Keiner wurde häufiger getreten, sechs von 16 Fouls der Argentinier bekam er ab, Blitzableiter ihres Zorns. Fast ein Drittel der letzten 15 Minuten auf dem Weg zum WM-Sieg verbrachte Schweinsteiger am Boden oder blutend oder in Behand- lung. Oder alles zusammen. Und keiner war wichtiger als er, denn er wusste genau, dass er leiden musste fürs Team; dass er sich den rassigen Duellen mit den wütenden Argentiniern stellen musste, um sie den anderen zu ersparen. Aus dem kleinen, lustigen „Schweini“ von 2006 war der große, leidende Schweinsteiger von 2014 geworden. Ein Mann, der für den Erfolg, für sein Team, für sein Land alles gab. Und seitdem von der dankbaren Fußball­ nation alles zurückbekommt. „Basti is back“ stand auf den Trikots bei seinem Abschiedsspiel – schön wärs. Christian Eichler Das Datum beim Blick auf den Kalender: 28. August 2018. Das Datum im Kopf: viel früher. Als sich Bastian Schwein­ steiger in der Allianz Arena mit dem Spiel zwischen Chicago Fire und dem FC Bayern von seinen Fans in Deutsch- land verabschiedete, nahm er den An- hang mit auf eine Zeitreise. Sogar die Chips-Werbung lief wieder im Fernse- hen, mit ihm und Poldi, den beiden Lausbuben von 2006. Und genau wie der alte Freund, der seine späten Profi- Tage in Japan verbringt, hat sich auch Bastian Schweinsteiger in Amerika die Freude am Spiel und die Nähe zu den Fans bewahrt – jene Freude und Nähe, die ohne die beiden im Juni irgendwo in Russland verloren gegangen war. Schweinsteiger kam zurück, mit leuch­ tenden Augen, mit fröhlichem Herzen, mit viel Stolz und auch mit Melancholie. Der ganze Schweinsteiger sagte: Ich bin zufrieden und glücklich. Das tat ein bisschen weh, im Post-WM-Sommer 2018, aber es tat auch verdammt gut. Fußballer wie Schweinsteiger kann man nicht erfinden. Sie lassen sich nicht in Nachwuchsleistungszentren schnitzen oder in Image-Kampagnen konstruieren. Die Fans sind zu schlau dafür, sie merken, ob einer echt ist, einer von ihnen. „Ich bin einer von Euch“, sagte er an diesem Abend mit brüchiger Stimme ins Stadionmikrofon, „und werde immer einer von Euch bleiben.“ Schweini, das Original: einer, der als junger Bursche den Mist baute, den man als junger Bursche so baut, und dann vor aller Augen ein echtes Mannsbild wurde, ein Anführer, ein Held. So liebt das Volk seine Fußballer: einer wie du und ich, einer von nebenan, und doch einer, wie man ihn sonst nirgends findet. Aus dem Gaudiburschen von 2006, der allen Spaß machte, war schon 2010 einer geworden, der das Team prägte Diesmal gab es kein Sommermärchen, nur einen Märchen- sommer. Die endlose Sonne im tropischen Deutschland half ein wenig, das deutsche WM-Trauma zu vergessen. Bis es am Ende, für zwei, drei späte August-Tage, dann doch fast wieder da war, das alte WM-Feeling, die Erinnerung an die federleichten Sommerwochen von 2006. Das lag an einem Heimkehrer, den 75.000 Menschen in der Allianz Arena als „Fußballgott“ feierten: Bastian Schweinsteiger.

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