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SERIE SCHLÜSSELSPIELER ( TEIL 6)
INNENSTÜRMER
Beinahe hätte es den unnachahmlichen Mittelstürmer der DDR-Auswahl nicht gegeben. Als näm-
lich Peter Ducke, dessen Familie es nach dem Krieg aus dem Sudetenland nach Schönebeck
verschlagen hatte, 1957 in Jena zum Probetraining erschien, wurde der 16-Jährige für die Ober-
liga als zu untalentiert befunden. Nur gut, dass sein älterer Bruder Roland schon beim Carl Zeiss
spielte und nicht locker ließ. Zwei Jahre danach wurde der verspätete Wechsel vollzogen.
Die imposante und doch unvollendete Karriere des Hitzkopfs und Torjägers Peter Ducke
Der Weg war geebnet, dass der
„Schwarze Peter“ zu einem der un­
gewöhnlichsten Fußballer der DDR
wurde. „Er war ein südlicher Artist,
ein Virtuose, ein Fußball-Belcanto,
brillant, heißblütig, cholerisch“,
zeichnet Christoph Dieckmann, heute
Autor der „Zeit“ und seit 1965 Fan
des FC Carl Zeiss Jena, ungemein
trefflich Duckes Bild.
Peter Duckes Karriere verlief steil
und schnell, aber nicht ohne Ecken
und Kanten. Im Herbst 1959 debü-
tierte er als 18-Jähriger in der Natio-
nalelf beim 5:1-Sieg gegen Finnland in
Rostock. Insgesamt brachte es der
Angreifer auf 68 Länderspiele mit
15 Toren. Mit seinem Verein errang er
drei DDR-Meistertitel und drei Pokal­
siege. 1963 schaffte er es zum Ober­
liga-Torschützenkönig, 1971 zum
„Fußballer des Jahres“, 1965 gar zum
„Sportler des Jahres“, weil der eigent-
liche Sieger der Umfrage, der Leicht-
athlet Jürgen May, die DDR mit seiner
„Republikflucht verraten“ hatte. Peter
Ducke – antrittsschnell und schuss-
stark, explosiv und egoistisch – ein
typischer Mittelstürmer eben.
Zu den legendären Toren des Jenaers
zählte der 1:1-Ausgleich beim Rück-
spiel im Europapokal der National-
mannschaften gegen die CSSR im
Frühjahr 1963 in Prag. Nach dem
sensationellen 2:1-Hinspielsieg der
DDR gegen den Vizeweltmeister von
Chile 1962 deutete alles auf ein Ent-
scheidungsspiel hin, als Ducke in der
85. Minute die Kugel in halbrechter
Position annahm und mit trockenem
Schuss ins kurze Eck Schlussmann
Schroiff zum 1:1 überwand. „Ich sah
die freie Ecke und habe gezielt“, erklär-
te der Torschütze selbstbewusst in die
Mikrofone von Funk und Fernsehen.
Ja, für eine Übertreibung mit seinen
Künsten war der Peter immer gut.
Dass er mit seiner eigenwilligen
Spielweise und manchmal übertrie-
benem Eigensinn aneckte, wurde
nicht immer schnell vergeben. Als es
in der DDR-Kabine beim WM-Quali­
fikationsspiel gegen Österreich in
Wien nach dem mageren 1:1 ziemlich
knirschte, zog Ducke den Zorn der
Mitspieler auf sich, weil er seine
schwächere Leistung damit begrün-
dete, dass er nicht genügend Bälle
bekommen hätte. Der ungarische
Trainer Karoly Sos konnte gerade
„Schwarzer Peter“
nicht zu fassen
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