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AKTUELL IM BLICKPUNKT

INTERV IEW MIT JUPP HEYNCKES

Im CdN-Interview mit Wolfgang Tobien blickt Jupp Heynckes (71) zurück auf die EURO 2016

in Frankreich, beurteilt das Abschneiden des deutschen Nationalteams und analysiert dessen

Gesamtvorstellung. Er sagt, was er von Portugals Titelgewinn hält und umreißt die Perspek­

tiven der Mannschaft von Joachim Löw im Hinblick auf die WM 2018. Und er gestattet sich

eine Reminiszenz an das „Jahrhundertteam“ 1972, das mit ihm damals Europameister wurde.

Jupp Heynckes über die Nationalmannschaft, die EURO 2016 und das „Jahrhundertteam“ von 1972

Herr Heynckes, das angestrebte

Double hat die deutsche National-

mannschaft bei der EURO 2016

verpasst. Als amtierender Welt-

meister ist sie im Halbfinale ausge-

schieden. Wie bewerten Sie diese

Platzierung des Löw-Teams?

JUPP HEYNCKES:

Halbfinale,

damit wurde sicherlich zumindest

das Soll erfüllt. Bestimmt aber hat-

ten sich Jogi Löw und die Mannschaft

mehr ausgerechnet, zumal sich unter

den Gegnern in diesem Turnier keine

unschlagbare Mannschaft befand.

Doch man muss beim Fazit die Handi-

caps berücksichtigen, mit denen unser

Team in dieses Turnier gegangen ist.

Zum Beispiel?

Wichtige Spieler wie Boateng,

Schweinsteiger, Hummels oder Khe-

dira waren vorher verletzt oder sogar

lange verletzt. Sie mussten im Tur-

nier erst mal wieder ihre Wettkampf-

form finden, wobei sich dann zum

Beispiel Khedira und Boateng erneut

verletzt haben. Ich denke, wenn dem

Bundestrainer alle Spieler, vor allem

alle Eckpfeiler topfit zur Verfügung

gestanden hätten, er zum Beispiel im

Halbfinale nicht auf den gesperrten

Mats Hummels hätte verzichten

müssen und sich auch Mario Gomez

nicht verletzt hätte, hätten wir den

Titel geholt und wären Europa­

meister geworden. Das steht für mich

außer Zweifel.

Zu welchem Ergebnis kommt Ihre

fachliche Analyse über die Auf-

tritte der deutschen Mannschaft in

Frankreich?

HEYNCKES:

Über den gesamten

Turnierverlauf gesehen waren wir

spieltechnisch die beste Mannschaft.

Spieleröffnung, Ballbehauptung,

Passsicherheit – das klappte in eini-

gen Spielen richtig gut. Trotzdem

hatte ich das Gefühl, dass irgend­

etwas fehlte. Beispielsweise generell

die Chancenverwertung. Und wenn

ich das Spiel gegen die Franzosen

rekapituliere, waren es auch Ziel­

strebigkeit, Tempowechsel und die

Aggressivität im gegnerischen Straf-

raum. Sieben Tore in sechs Spielen,

das steht in keinem richtigen Verhält-

nis zu dem, was uns noch bei der WM

vor zwei Jahren in Brasilien ausge-

zeichnet hat.

Die Treffsicherheit und Effizienz

waren also nicht vorhanden?

HEYNCKES:

Langer Ballbesitz

allein ist keine Erfolgsformel, wenn

nicht das vertikale Spiel mit dem

erfolgreichen Abschluss als Effi­

zienz hinzukommt. Bei aller spiele­

rischen Brillanz, die wir zweifellos

hatten, müssen auch die Ergebnisse

stimmen.

„Hätten mit allen

Eckpfeilern den

EM-Titel geholt“