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AUF DEM WEG ZUR EURO 2016
DOUBLE IM V ISIER
EM nach Schweden. Mit an Bord: elf
Weltmeister von Rom, die zwei Jahre
zuvor Argentinien im Endspiel durch
Andreas Brehmes Elfmeter 1:0 be-
zwungen hatten. Dazu kamen drei
rasch integrierte Spitzenkräfte, die
in der ehemaligen DDR sozialisiert
worden waren: Matthias Sammer,
Andreas Thom und Thomas Doll.
Trainer des gesamtdeutschen En-
sembles war Berti Vogts, der bei der
EM 1972 zum Kader der Ramba-Zamba-Europameister um Becken-
bauer, Günter Netzer und Gerd Müller
gehört hatte, 1974 den WM-Triumph
beim 2:1-Finalsieg über die Holländer
als nimmermüder Weltklassever
teidiger abstützte und 1976 die Ent-
täuschung des zweiten EM-Platzes
als Spieler miterlebte. Vogts, 1990
einer der Assistenten von Teamchef
Beckenbauer, übernahm im selben
Jahr den Job des „Kaisers“ als
Bundestrainer.
Beckenbauers Diktum Minuten nach
dem Endspielsieg über Argentinien,
„es tut mir leid für den Rest der Welt,
aber wir werden für die nächsten
Jahre nicht zu besiegen sein“, mag
Vogts‘ Auftrag erschwert haben,
doch am Ende stand den Deutschen
wie schon 1976 ein unbeschwerter
Außenseiter im Weg: Dänemark,
durch die Hintertür für das Turnier
der acht besten europäischen Mann-
schaften zugelassen, weil das eigent-
lich qualifizierte Jugoslawien am
Zerfallen war und wegen des zu
dieser Zeit tobenden Balkankrieges
von der Europäischen Fußball-Union
(UEFA) zehn Tage vor Turnierbeginn
ausgeschlossen wurde.
„In einer Außenseiterrolle lebt es
sich oft leichter denn als Favorit“,
sagt Guido Buchwald, einer der
deutschen Weltmeister von 1990, der
zwei Jahre später im EM-Finale dabei
war, als das nächste Karriere-High-
light knapp verfehlt wurde. 2:0
gewannen seinerzeit die Dänen, die
zuvor schon die höher eingeschätz-
ten Franzosen und, im Halbfinale, die
Holländer aus dem Turnier katapul-
tiert hatten. „Die spielten mit einem
sehr guten Teamgeist ein grandioses
Turnier“, lobt Stefan Reuter, auch
Bonhof hatte damit keine Probleme
und war neben Heinz Flohe und
Hannes Bongartz einer der punkt
genauen deutschen Torschützen in
einem Turnier, in dem ein neuer
Müller, Dieter Müller, in seinem
ersten Länderspiel drei Ausrufe
zeichen setzte und, eingewechselt in
der 79. Minute, aus dem 1:2-Rück-
stand gegen Jugoslawien mit einem
3er-Pack den 4:2-Sieg möglich mach-
te. Der damals für den 1. FC Köln
stürmende Hesse traf im Endspiel, in
dem die Deutschen wie schon gegen
Jugoslawien einen 0:2-Rückstand
aufholten, noch einmal und wurde
zum Turnierschützenkönig. Eine Aus-
zeichnung, die vor dem Hintergrund
der Finalniederlage ähnlich ver
blasste wie Franz Beckenbauers
hundertstes Länderspiel für die
Bundesrepublik Deutschland.
Was 1976 noch nicht war, hätte 1992
nachgeholt werden können. Das
wiedervereinigte Deutschland, 1990
bei der WM in Italien mit den besten
Spielern aus der alten Bundes
republik zum dritten Mal stolzer
Besitzer des Weltmeisterpokals,
reiste zwei Jahre später neben Titel-
verteidiger Holland als Favorit zur
1972, gefeierter Weltmeister 1974 im
eigenen Land, glücklicher Europa-
meister 1976. Eine Dreierwette, die
bisher allein Spanien mit den EM-Titeln 2008 und 2012 und Platz eins
bei der WM 2010 gewann.
So aber triumphierten die Tschechen
und Slowaken, die die Deutschen, so
Bonhof, „nicht so gut einschätzen
konnten wie die im Halbfinale am
späteren Europameister gescheiter-
ten Holländer. Letzten Endes aber
hat es an uns gelegen, dass wir unse-
ren Titel nicht verteidigen konnten.“
Und vielleicht auch daran, dass die
deutschen Spieler erst in der Kabine
vor dem Anstoß zum Endspiel erfuh-
ren, dass es bei einem Unentschieden
nach Verlängerung nicht wie gedacht
zwei Tage später ein Wiederholungs-
spiel, sondern ein entscheidendes
Elfmeterschießen geben werde.
Der Frankfurter Bernd Hölzenbein, in
der letzten Minute der regulären
Spielzeit der Torschütze zum 2:2,
sagt dazu: „Die Funktionäre haben
uns nicht informiert. Wir waren auf
ein Elfmeterschießen gar nicht vorbe
reitet.“ Er selbst schon überhaupt nicht,
„weil ich dafür keine Nerven hatte“.
ZWEIKAMPF IM ÜBERRASCHEND VERLORENEN EM-FINALE 1992:
DER DÄNE FLEMMING POVLSEN UND JÜRGEN KOHLER.