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38

SERIE

DER „VERBORGENE“ NATIONALSPIELER

Der Müller

MACHT ’ S

Oskar Becks Hommage an einen Unvergleichlichen

Einst waren sie populär, beliebt und bewundert. Doch inzwischen sind sie aus dem Rampenlicht

verschwunden. Aus unterschiedlichen Gründen, wie unsere Serie zeigt. Teil 7: Gerd Müller (70).

Der Mann, der uns 1972 zum EM-Triumph und 1974 zum WM-Titel schoss, war der größte

Torjäger des deutschen Fußballs. Jetzt lebt er, an Alzheimer erkrankt, verborgen und geborgen

in einem Pflegeheim, unterstützt von seiner Familie. Und wir erinnern uns vor der EURO 2016

umso intensiver an das, was er für den deutschen Fußball vollbracht hat. Zum Beispiel mit

der womöglich besten Nationalmannschaft, die wir je hatten: den Europameistern von 1972.

In jedem Leben gibt es ein paar Mo-

mente, die man sich im Gedächtnis

einrahmt. Unauslöschlich! Wie jener

16. Oktober 1985.

An dem Tag spielte Deutschland in

der WM-Qualifikation im Stuttgarter

Neckarstadion gegen Portugal – vor

allem aber trafen wir Journalisten im

Vorspiel auf eine kreuzgefährliche

Mischung aus Ex- und Vize-Welt­

meistern von Helmut Haller über

Paul Breitner, Bernd Hölzenbein und

Jürgen Grabowski bis Gerd Müller.

Wiederholt musste Torwart B.

mit mirakulösen Robinsonaden und

unfassbaren Reflexen die Schnitzer

seiner Vorderleute um Wolfgang

Niersbach, den späteren DFB-Präsi-

denten, auswetzen, ehe am Ende der

als „Pfeife aus dem Auswärtigen

Amt“ berühmte Bonner FIFA-

Schiedsrichter Walter Eschweiler ein

Elfmeterschießen anordnete. Für je-

des Tor spendete damals nämlich ein

Sponsor 1.000 Mark für die Erdbeben-

hilfe in Mexiko. Es wurde geschossen,

bis 27.000 Mark zusammen waren,

und wir Journalisten verloren 12:15.

Warum es nicht 12:16 ausging?

Lassen Sie es mich ohne falsche

Bescheidenheit so sagen: Hexer B.

fischte den Unhaltbaren von Müller

mit einer halsbrecherischen Verren-

kung aus der Ecke, und der Bomber

der Nation stammelte im Rahmen

des Ritterschlags: „Schwob, du bischd

a Verrückter.“

Der verrückteste Schwabe in den

Strafräumen dieser Welt war aller-

dings Gerd Müller. Dafür gebührt

jetzt mit größter Hochachtung im

Gegenzug diese Hommage – in der

traurigen Ahnung, dass er sie nicht

mehr mitbekommt. Als er letztes

Jahr 70 wurde, gesellten sich schon

da zu den besten Wünschen des

deutschen Fußballs gemischte Ge-

fühle. Weiß er, dass er Geburtstag hat?

Wie erlebt er ihn? Schaut er sich am

Abend im Fernsehen die Champions

League an? Wie reagiert er, wenn einer

freistehend eine Chance verballert?

Vor ein paar Jahren ist der alte Bom-

ber in solchen Momenten noch vom

Sofa aufgesprungen, hat seine Nach-

barn zusammengetrommelt und

ihnen auf dem Sportplatz nebenan

geschwind vorgemacht, wie er sowas