18
AKTUELL IM BLICKPUNKT
TONI KROOS – PASSGEBER , TAKTGEBER , SPIELMACHER
Er ist Weltmeister, er hat die Champions League gewonnen, von den ganz großen Titeln fehlt
Toni Kroos nur noch der Erfolg bei der EM. Daran hat auch das Turnier in Frankreich nichts
geändert. Deutschland unterlag im Halbfinale den Gastgebern, unglücklich, unverrückbar.
Die EM hat aus deutscher Sicht dennoch viele positive Erkenntnisse gebracht – und eine
Bestätigung: Mit Toni Kroos, einer der Gewinner im Team, das das Double in Frankreich so
knapp verpasst hat, verfügt der Weltmeister über den weltbesten Passgeber als zentrale Figur
und Spielgestalter. Ein Porträt von Steffen Lüdeke.
Als kühler Stratege bestätigte Toni Kroos bei der EM 2016 seine Sonderklasse im Weltfußball
Für Toni Kroos ist die Sache im Grun-
de sehr simpel: es liegt nur an ihm.
Wer zwischen den Pfosten steht, ist
da fast schon bedeutungslos. Ob im
Garten sein Sohn Leon, im Training
Thomas Müller oder eben Gianluigi
Buffon im Elfmeterschießen des EM-
Viertelfinales. Kroos weiß: Macht er
alles richtig, hat sein Gegenüber
keine Chance. Und weil Toni Kroos
von Toni Kroos alles Mögliche er
wartet, nur keine Fehlbarkeit, ist sich
Toni Kroos seiner Sache ziemlich
sicher. Sein Puls geht kaum nach
oben, als er sich in Bordeaux aus
dem Kreis seiner Mitspieler löst und
zum Elfmeterpunkt schreitet.
EM-Viertelfinale, Deutschland gegen
Italien, Elfmeterschießen. Kroos
geht voran, er ist der erste Schütze
des Weltmeisters. Anzeichen der
Aufregung sind nicht zu erkennen,
Kroos ist spürbar unbeeindruckt.
Wegen Szenen wie dieser sagt Bun-
destrainer Joachim Löw über Kroos:
„Ich kenne keinen Spieler, der so cool
ist wie der Toni.“
Auf halbem Weg hustet Kroos kurz,
bei anderen würde dies als Über-
sprunghandlung, als Zeichen der
Nervosität gedeutet, bei ihm wird
das Husten als Folge der Kälte inter-
pretiert. Sekunden später zappelt der
Ball im Netz, Buffon hatte die Ecke
geahnt und schnell reagiert – doch
gegen Präzision und Geschwindigkeit
des Schusses von Kroos hatte auch
der viermalige Welttorhüter keine
Chance. Kroos’ Jubel fällt sehr
dezent aus. Er dreht ab – und trabt
zurück zu den Kollegen am Mittel-
kreis. Auftrag erledigt, war was?
Kroos ist kein Schauspieler, seine
Ruhe ist authentisch, bei ihm war das
nie anders. „Ich kann mich auf dem
Fußballplatz an keine Situation erin-
nern, in der ich so richtig nervös ge-
wesen bin“, sagt Kroos. Der Deutsche
stand im Finale der Champions
League, im Finale der Fußball-WM,
im „El Clásico“ zwischen Real Madrid
und dem FC Barcelona. Er hat die
großen Spiele gespielt – und ge
wonnen. Und immer ist er dabei kühl
geblieben, als Fels in einem Meer der
Aufregung.
So war es auch im Viertelfinale gegen
Italien. Nach dem Elfmeterkrimi hat
er seine Empfindungen mit diesen
Worten beschrieben: „Wenn ich an-
trete, bin ich fest davon überzeugt,
dass es klappt.“
Warum sollte es auch nicht klappen?
Schließlich hat Kroos den Ball schon
unzählige Male erfolgreich über eine
Distanz von elf Metern von A nach B
befördert. Über viel größere Distan-
zen sogar, mit viel mehr Druck durch
den Gegner. Kroos ist die Pass
maschine im deutschen Spiel, im
Cool – Cooler – KROOS