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AKTUELL IM BLICKPUNKT
DIE EHRENSPIELFÜHRER DER NATIONALMANNSCHAFT
Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus rückten zusammen und
schufen in der Heldengalerie des deutschen Fußballs Platz für den Neuen: Jürgen Klinsmann.
DFB-Ehrenspielführer. Nunmehr der fünfte. Beim Festakt des DFB-Bundestags am 3. November
2016 erhielt er in Erfurt den Ritterschlag. Diese Auszeichnung bekommt keiner geschenkt –
es müssen schwerwiegende Gründe vorliegen. Unser Autor OSKAR BECK gibt Antworten
auf die Frage: Wie wird man Ehrenspielführer?
Seit 3. November 2016 ist Jürgen Klinsmann der 5. Ehrenspielführer der Nationalmannschaft
Wohlgefällig ruhte der Blick der
Kanzlerin auf Jürgen Klinsmann, als
sie ihn unlängst im Theater in Erfurt
zum Ritter schlug. Angela Merkel
sprach über seinen Mut, mit dem er
allen Widerständen getrotzt hat –
damals, anno 2004, tief in der Krise
der Nationalmannschaft. Die WM
2006 im eigenen Land nahte, und
dringend wurde einer gebraucht,
der sich zutraute, auf einer Glatze
Locken zu drehen. Klinsmann sagte
ja – und ging durchs Feuer.
Unter dem Motto „Reformen ja, aber
es darf sich nichts ändern“ wollte
halb Deutschland den Erneuerer zu-
nächst füsilieren. Gesteinigt wurde
der schwäbische Kalifornier als „zu
amerikanisch“, weil er US-Fitness-
trainer importierte, Psychologen ein-
führte und heftig an den DFB-Struk-
turen rüttelte. Jedenfalls gingen
Heckenschützen, Blindgänger und
sonstige Experten derart auf ihn los,
dass sich „Bild“-Kolumnist Franz
Josef Wagner („Post von Wagner“)
nach der WM 2006 bei Klinsmann im
Namen des Volkes entschuldigte:
„Verzeihen Sie, dass ich Sie für einen
Idioten hielt.“
Das Wunder ist inzwischen in den
Stein der Geschichte gemeißelt als
„Sommermärchen“, hören wir in die
Laudatio der Kanzlerin an jenem
3. November 2016 nochmal kurz rein:
„Es ist Ihnen etwas ganz Großes
gelungen: Sie und die ganze National-
mannschaft haben die Deutschen
nicht nur als Fußballnation, sondern
als Nation insgesamt mitgerissen.
Diese zwei Jahre damals waren
prägende Jahre – und sie wirken bis
heute.“
Klinsmann hat den Grundstein ge-
legt, auf dem jetzt in der DFB-Vitrine
der WM-Pokal thront. Weil noch er-
schwerend dazukommt, dass er als
Torjäger 1990 Weltmeister wurde,
als Kapitän 1996 den EM-Pokal
stemmte und das Deutschland-Bild
in der Welt maßgeblich beeinflusst
hat, musste er sich am Ende nicht
wundern, dass er auch noch DFB-
Ehrenspielführer wurde. Er ist der
Fünfte. Vor Klinsmann stiegen schon
Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz
Beckenbauer und Lothar Matthäus
auf in die Heldengalerie des Fuß-
balls – und stets lagen schwer
wiegende Gründe vor.
Wie also wird man Ehrenspielführer?
Im Fall Fritz Walter fährt man auf der
Suche nach der Antwort am besten in
die Schweiz. Es gibt in Spiez ein Hotel
mit dem Slogan: „Willkommen am
fabelhaften Thunersee“. Das „Belve-
dere“ übt auf viele Deutsche eine
magische und magnetische Anzie-
hungskraft aus – denn es war an
lässlich des „Wunders von Bern“ das
Hauptquartier der sagenhaften
Herberger-Helden, die kurz nach der
Stunde null die unbesiegbaren Un-
garn besiegten. Die geschundene
deutsche Seele traute sich über
Nacht wieder zum aufrechten Gang
zurück.
Viele halten jenen 4. Juli 1954 für die
wahre Geburtsstunde der Bundes
republik Deutschland. Wir waren
wieder wer, und das „Belvedere“ ist
Der RITTERSCHLAG