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zählt: „Die Engländer brachten einen
Fußball aus ihren Schützengräben,
und ein reges Spiel begann.“ Paul
Breitner schüttelt noch heute den
Kopf: „Fußball im Niemandsland!
Wir hatten Torpfosten und einen Ball
und zwei Teams – mehr brauchten
wir nicht.“ Nicht einmal einen
Schiedsrichter, erinnert sich der
Soldat Philipp Lahm. Und: „Es war
alles andere als einfach, auf dem
gefrorenen Boden zu spielen.“ Aber
alle spürten in sich das Glück.
Der englische Füsilier-Hauptmann
Robert von Ranke-Graves war wirk-
lich dabei. Später wurde der Brite mit
deutschem Großvater ein berühmter
Schriftsteller, der seine Erlebnisse in
Fronterzählungen und Gedichtbän-
den wie „Fairies and Fusiliers“ verar-
beitete. Anders aber als Erich Maria
Remarque
(„Im Westen nichts
Neues“) beschrieb er im Westen
doch Neues: dieses Fußballspiel. Der
Engländer behauptet, die Deutschen
hätten 3:2 gewonnen – doch anders
als beim WM-3:2 in Leon anno ’70
war das Ergebnis an der weihnacht
lichen Front 1914 noch nicht wichtig.
Auszeit vom Sterben. Frieden, we-
nigstens für einen Tag. Der Ball er-
setzte die Gewehrkugeln, und der
britische Schütze Gareth Bale erin-
nert sich: „Wenn ich nicht selbst ge-
sehen hätte, was Weihnachten bewir-
ken kann, ich würde es nicht glauben.
Es war wie im Traum.“ Fußballer
setzten ein Symbol für den Frieden.
„Todfeinde“, fasst Soldat Schwein-
steiger das Wunder zusammen,
„kamen als Freunde zusammen.“
Bis die Generäle wieder das Töten
befahlen. Paul Breitner beschreibt
den Moment so: „Es wird dunkel. Wir
werden in unsere Schützengräben
zurückgerufen. Wir schütteln uns ein
letztes Mal die Hände.“ War der
Soldat, für den er spricht, ein paar
Wochen später unter den tausend
Toten, die am Ypern-Bogen durch
Chlorgas starben? Wir wissen es nicht.
Wir wissen aber eins: Der Fußball ist
besser als die Welt, in der er gespielt
wird.