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fordern. Wenger: „Vorher hat er ge-
spielt, als sei er nicht besessen vom
Tore-Schießen, sondern mehr vom
Vorlagengeben. Seine Balance zwi-
schen Torerfolg und Vorlagen ist
jetzt besser.“ Eben dahin soll der
81-malige Nationalspieler auch in
seinen Auftritten für Deutschland
kommen.
Rückte Özil bei der Europameister-
schaft in Frankreich immer wieder
mal auf eine der Außenpositionen im
vorderen Mittelfeld, ist sein gesicher-
ter Stammplatz inzwischen vor allem
in der Mitte hinter der oder den Spit-
zen verankert. Der Mann mit dem
magischen Auge für die passende
Balance zwischen Dribbling, überra-
schenden Pässen und situativ gebo-
tenem Abschluss steht womöglich
vor einem großen Jahr, in dem auch
die in Deutschland nicht immer
ungeteilte Bewunderung für seine
intuitiv gefärbte Spielkunst weiter
wachsen könnte.
Özil kann den sanften
Stilwandel personifizieren
Özil selbst hat in der vorigen Saison
gesagt: „Ich sehe mich als klassi-
schen Zehner oder Spielmacher, der
offensiver agiert und Torchancen
kreiert.“ Gleichwohl darf und soll er,
der über eine gute Schusstechnik
verfügt, nach 81 Länderspielen mit
21 Treffern ruhig häufiger das eigent-
liche Ziel jedes Fußballspiels ins
Auge fassen und damit seine Tor
quote deutlich steigern.
Die neue Nummer 10 im deutschen
Spiel, ein zuweilen genialer Spielbe-
schleuniger, kann sehr viel zu größe-
rer Effektivität in der Nationalmann-
schaft beitragen und damit, wie der
neue Mittelfeldchefstratege Kroos,
den von Löw proklamierten sanften
Stilwandel personifizieren. Auf die
beiden Weltmeister von 2014 warten
persönliche und im Kollektiv zu beste-
hende Reifeprüfungen, für die es 2018
den höchsten Lohn geben soll: die Titel
verteidigung bei der WM in Russland.
Sie wäre ein Triumph für die Ge-
schichtsbücher, weil dieses Ziel noch
von keiner deutschen Nationalmann
schaft bisher erreicht worden ist.
exakt zu Löws jüngsten Vorgaben für
das Nationalteam.
Ging es im Verlauf der beiden zurück
liegenden Turniere bei der Beset-
zung der Mittelfeldpositionen auch
immer darum, den Faktor Schwein-
steiger zu berücksichtigen, um dem
charismatischen oberbayerischen
Vorkämpfer, falls nicht wieder einmal
verletzungsgeplagt, den ihm ge
mäßen zentralen Platz in der Mann-
schaft zu verschaffen, kann Löw sein
Mittelfeldtableau jetzt unbeschwert
neu ordnen. Kroos, bei den Jahres
abschlussländerspielen gegen San
Marino und Italien verletzt fehlend,
fällt bei der Besetzung der Sechser-
und Achterpositionen eine heraus
ragende Rolle zu.
Zudem ist er nicht nur einer von Löws
Lieblingsspielern, ihm gehört auch
die hohe Wertschätzung seines Ver-
einstrainers Zinédine Zidane, der zu
seinen aktiven Hochzeiten der mut-
maßlich beste aller Fußballregis
seure war. „Es ist ein Glück, einen
Spieler wie ihn zu haben“, lobt Zidane
den Deutschen, der seinen Vertrag
mit Real Madrid bis 2022 verlängert
hat und dabei zum bestverdienenden
deutschen Profi aufgestiegen sein soll.
Mesut Özil, der deutsche Spielma-
cher, ist ein erklärter Fan von Zidane.
Wie Kroos hat sich der gebürtige
Gelsenkirchener, ein Zauberer seines
Spiels, im Ausland den letzten Schliff
geholt für seine eindrucksvolle Art,
Ball und Gegner laufen zu lassen.
Zuerst bei Real Madrid (2010 bis
2013), danach und aktuell beim
FC Arsenal unter Trainer Arsène
Wenger. Der bei den November-Län-
derspielen von Löw geschonte Özil
war in der vorigen Saison der beste
Scorer der Premier League mit sechs
Treffern und 19 Torvorlagen und hat
auch während der ersten Hälfte
dieser Spielzeit in Premier League
und Champions League eine absolut
brillante Effizienz vorzuweisen.
Der 28 Jahre alte Deutsch-Türke
macht inzwischen mit größter
Selbstverständlichkeit, was Wenger
und Löw von ihm angesichts seines
Megatalents als Zusatzaufgabe ein-
Brasilien auf dem Weg zum WM-
Titelgewinn auch seine defensiven
Trümpfe mit Neuer, Lahm, Hummels
und Boateng effektiv aus.
Dazu inszenierten Löws Champions
in der Runde der letzten Vier eines
der größten WM-Spektakel beim
sensationellen 7:1-Triumph über Bra-
silien. Danach, im Endspiel gegen Ar-
gentinien, eroberten die Deutschen
auch deshalb den Titel mit einem
1:0 nach Verlängerung, weil sie tra
ditionelle Fighter-Mentalität und
deutsche Organisationskunst mit
Elementen des ausgeklügelten Posi-
tionsfußballs verbanden, die zuerst
die Spanier und der FC Barcelona
vorgelebt hatten.
Kroos: „Verunsichern kann
mich eigentlich nichts.“
In Russland darf es 2018 nun wieder
ein bisschen mehr sein als zuletzt in
Frankreich. Die Mission Titelverteidi-
gung haben sowohl Löw als auch
DFB-Präsident Reinhard Grindel
offen ins Visier genommen. Zudem
streben die Spieler den nächsten
Gipfel, wie es aussieht, umstandslos
an. „Es sind alle gefordert, damit es
vorne wieder zackiger zugeht“, sagt
Kroos, der derzeit vermutlich präzi-
seste und beste Passlieferant in der
Welt seines Sports. 92,3 Prozent
betrug seine Vorlagen-Genauigkeits-
quote bei der EM. Der 26 Jahre alte
coole Mecklenburger ist in der Lage,
diesen Spitzenwert sogar noch zu
toppen. Seine Fähigkeit, auch unter
größtem Druck die Ruhe zu bewah-
ren und den Ball genau dahin zu
spielen, wo er am besten ankommt,
ist frappierend.
„Verunsichern kann mich eigentlich
nichts“, sagt Kroos, der schon als
Jugendlicher immer der Beste seines
Jahrgangs war und doch nie wie ein
Wunderknabe daherkam. Was Toni
Kroos anpackt, wirkt jederzeit reif,
klug, geschickt und öffnet immer
wieder Türen für den anschließenden
Torerfolg. Das Potenzial des Verbin-
dungsmanns im deutschen Spiel mit
seiner handwerklich unantastbaren
Qualität und dem Auge für den künst-
lerisch wertvollen Moment, passt