CdN Magazin 23 ePaper - page 38

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SERIE
DER „VERBORGENE“ NATIONALSPIELER
um diese Partie und sein Fehlverhalten.
Lieber erzählt er von seinen großen
Taten in der Truppe von Helmut Schön,
von der Europameisterschaft 1972,
von der Traumelf, die England auf der
Insel schlug und das Finale souverän
mit 3:0 gegen die Sowjetunion ge-
wann. „Die beste Mannschaft, in der
ich je gespielt habe. Was für eine
Mannschaft! Das war Fußball vom
Feinsten, unglaublich guter Fußball.“
So gut habe keine deutsche National-
elf danach mehr gespielt, auch nicht
die weltmeisterlichen Formationen
von 1974, 1990 oder 2014. Behauptet
Horst-Dieter Höttges, der für den
DFB nach dem aktuellen Titelgewinn
in Brasilien eine rosige Zukunft sieht.
Als „kleinen Ausrutscher“ betrachtet
er den Fehlstart in die laufende
Qualifikation für die kommende EM.
Sorgen, das Turnier könnte verpasst
werden, macht er sich keine: „Wir
holen noch die nötigen Punkte, fahren
nach Frankreich und sind dort auch
nicht chancenlos.“
Auch in der deutschen Nationalelf,
für die er 66 Länderspiele bestritt.
Die Besonderheit: In der Glanzzeit
der Münchner Bayern und der Glad-
bacher, die die Anfangsphase der
Blockbildung der Elite-Auswahl
markierte, war der Bremer einer der
wenigen Stammspieler, die nicht aus
den beiden Spitzenklubs kamen.
An drei Weltmeisterschaften nahm
er teil: 1966, 1970 und 1974. So darf
sich Höttges auch als Weltmeister
feiern lassen, obwohl er bei der ersten
Heim-WM seinen Stammplatz verlo-
ren hatte. Beim Turnier in Deutsch-
land endete seine internationale
Karriere. Relativ ruhmlos, weil er aus-
gerechnet bei der historischen 0:1-
Niederlage gegen die DDR seinen
letzten Einsatz im Adler-Trikot hatte.
Die Geschichte dürfte bekannt sein:
Höttges war nicht ganz unbeteiligt, als
Jürgen Sparwasser das Tor des Tages
im Hamburger Volkspark glückte.
„Erinnern Siemich nicht daran“, mach-
te er noch heute einen großen Bogen
Geradezu ins Schwärmen gerät er,
wenn die Rede auf den Trainer
kommt. Willi „Fischken“ Multhaup sei
tatsächlich ein wahrer Gentleman
gewesen, wie er immer genannt wor-
den ist. Der Vater des Erfolgs habe
dabei zu ganz einfachen Mitteln ge-
griffen, wie sie später Franz Becken-
bauer nachgesagt worden sind: „Er
hat keine Aufstellung an die Tafel
geschrieben, sondern lediglich die
Aufforderung ausgerufen: „Ihr müsst
nur gewinnen.“
Und auch dieser Spruch ist verbürgt:
„Mit mir steigt Werder nicht ab!“
Hat Höttges mal gesagt. So kam es,
der Satz bewahrheitete sich. Ohne
ihn, der ein Elfmeter-Spezialist war
und von seinen 55 Erstliga-Toren
40 vom Punkt erzielt hat, ging es
runter. 1980, in der zweiten Saison
nach seinem Abschiedsspiel. Ab-
stieg, der einzige der Bremer aus der
höchsten deutschen Spielklasse in
der Historie. Anders ausgedrückt: Wo
Höttges war, war meist auch Erfolg.
ZUSAMMENTREFFEN ANLÄSSLICH DES 50. JAHRESTAGS DER BREMER MEISTERSCHAFT IM MAI 2015:
HORST-DIETER HÖTTGES (GANZ RECHTS) IM KREIS VON WERDER-SPIELERN DES JAHRES 1965.
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