CdN Magazin 23 ePaper - page 36

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SERIE
DER „VERBORGENE“ NATIONALSPIELER
Nach 66 Länder- und 420 Ligaspielen wird Höttges permanent mit seiner großen Karriere konfrontiert
Einst waren sie bekannt, populär, beliebt und bewundert. Teilweise sogar erfolgreiche WM-
und EM-Teilnehmer. Doch inzwischen sind sie aus dem Rampenlicht verschwunden, haben
sich zurückgezogen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit, stehen abseits der Schlagzeilen.
Manch einer ist in Vergessenheit geraten, zum Teil sogar einsam geworden. Nationalspieler
im Verborgenen. Aus unterschiedlichen Gründen, wie unsere Serie im CdN-Magazin zeigt.
Teil 4: Horst-Dieter Höttges (71), Stammspieler beim Gewinn des ersten EM-Titels 1972 und
bei drei erfolgreichen WM-Turnieren dabei, verfolgt, verborgen in seiner Limousine, an jedem
Tag das Training von Werder Bremen. Warum er sich nicht zu erkennen geben kann? Der Grund:
Wegen starker Verschleißerscheinungen an seinem Knöchel ist er kaum noch bewegungsfähig.
Es kann die Uhr danach gestellt
werden. Wenn die Profis von Werder
Bremen ihrem Job nachgehen, taucht
pünktlich sein Wagen auf. Die Karos-
se mit dem Stern auf der Kühler­
haube fährt auf dem Parkplatz vor,
der an den Trainingsplatz grenzt, wo
Viktor Skripnik seine Spieler trimmt.
Immer das gleiche Schauspiel. Tag für
Tag am Weserstadion. Das Fahrzeug
hält. Es wird so positioniert, dass
der Blickwinkel günstig ist, um das
Treiben auf dem Rasen zu verfolgen.
Der Fahrer verharrt meist hinter dem
Lenkrad, verfolgt konzentriert die
Übungsstunden. Erst wenn Chef­
trainer Skripnik die Einheit abpfeift,
wird die Zündung betätigt. Der Wagen
fährt vom Hof. Der Mann, der sich
darin verbirgt, ist täglich an der
Stätte präsent, wo ihm einst alle zu-
gejubelt haben: Horst-Dieter Höttges,
ein Idol bei Werder, eine Ikone des
Nord-Klubs.
Seine große Zeit ist längst vorbei,
doch vergessen ist er bei dem Verein
in der Hansestadt noch längst nicht.
Mit seinen regelmäßigen Ausflügen
ins Weserstadion pflegt der Oldtimer
die Nähe zu dem Klub, der früher sein
Leben bestimmt hat und der immer
noch sein Lebensinhalt ist. „Ich will
den Kontakt zu Werder nicht verlie-
ren“, sagt der 71-Jährige. „So bleibt
es, solange ich lebe.“
Also setzt er sich jeden Tag hinter
das Steuer seiner Limousine und
fährt die knapp 30 Kilometer von
Achim, wo er seit Jahren wohnt, zur
Arena an die Weser. Viele fragen sich,
warum der Alt-Internationale immer
im Auto sitzen bleibt und nie aus-
steigt, um seine Erben im grün-wei-
ßen Trikot mit der Raute zu begrüßen
und einen Plausch zu halten. Der ein-
fache Grund: Das Gehen fällt dem
einstigen behänden Klasseverteidi-
ger schwer. Seine Gelenke machen
ihm seit geraumer Zeit erheblichen
Kummer. Spätfolgen der langen
Karriere.
„Verschleißerscheinungen“, so Hött-
ges, der auf seinen linken Knöchel
deutet, habe ihm der Doktor mit­
geteilt. „Leider nicht zu operieren,
nichts zu machen.“ Somit muss er
kürzertreten, kann einfach nicht
mehr so, wie er will.
Vor Jahren war dies noch anders.
Der eisenharte Abwehrspieler aus
den Anfangsjahren der Bundesliga
konnte sich noch gut bewegen und
war beim Nachwuchs des Erstligis-
ten aktiv. Seine Erfahrungen aus
mehr als eineinhalb Jahrzehnten
Jahren in der höchsten deutschen
Spielklasse gab er als Betreuer und
Assistenztrainer der U 15 weiter.
„Die Arbeit mit den Jungen hat mir
riesigen Spaß gemacht, doch ich
musste sie aufgeben, als die gesund-
heitlichen Probleme immer größer
wurden.“
Und täglich grüßt der „Eisenfuß“
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