war Netzer. Günter Netzer stand für
eine neue deutsche Ballkultur, fuhr
Ferrari, flankierte schöne Frauen,
schlug im Rahmen des weltoffenen
Fußballs hemmungslos Steilpässe,
und aus dem Solo, das er beim 3:1 im
Viertelfinale gegen die Engländer in
Wembley mit flatternden Haaren aus
der Tiefe des Raumes hinlegte, würde
man heute einen Videoclip basteln,
unterlegt mit fetziger Rockmusik.
Es war traumhafter Fußball. Maier –
Höttges, Schwarzenbeck, Becken-
bauer, Breitner – Wimmer, Netzer,
Hoeneß – Grabowski, Gerd Müller,
Held. Das war die Mannschaft, der
mit jenem magischen Auftritt in Lon-
don der erste deutsche Länderspiel-
sieg auf englischem Boden gelang.
Auch beim 3:0 im Brüsseler Finale
zwei Monate später gegen die Sow-
jets waren alle ihr Geld wert. „10.000
Mark vom DFB hat’s gegeben, und
adidas hat noch 10.000 dazugelegt“,
menschlichen Neuerung gleich hinter
uns bringen. 1976, beim EM-Finale
gegen die Tschechoslowakei in
Belgrad, ballerte er den letzten
deutschen Elfmeter auf die Autobahn
in Richtung Albanien.
„ ... und alles schreit:
Der Müller machts!“
Doch sein Schmerz war erträglich.
Denn vier Jahre zuvor hatte der
Bayer mit ein paar anderen Helden
und Hexern Fußball von einem ande-
ren Stern gespielt, so unbeschreib-
lich, dass man ihn nur besingen
kann – wie es Gerd („Bomber“) Müller
dankenswerterweise getan hat. Sein
autobiographischer Schlager ging so:
„Dann macht es bumm, ja und dann
kracht’s, und alles schreit: Der Müller
macht’s!“
„Ramba-Zamba!“ jubelte „Bild“.
Ramba war Beckenbauer und Zamba
zeile: „Lasst doch mal den Merkel
ran!“ Den strammen Max, der gerade
beim 1. FC Nürnberg den Meister
macher gab.
Ein Deutscher drückte jener EM aber
doch den Stempel auf: Kurt Tschen-
scher, der Schiedsrichter. Nach dem
torlosen Halbfinale in Neapel finger-
te der Mannheimer eine Münze aus
der Hose. Zum Losentscheid!
„Machen wir erst einen Probewurf“,
bat Italiens Verbandschef Artemio
Franchi seinen Kollegen Walentin
Granatkin – und die Sowjets hätten
gewonnen. Doch der zweite Wurf
zählte, die Italiener jubelten (sie
gewannen dann auch die EM), und
Granatkin sagte zu Tschenscher:„So was darf es nie wieder geben.“
Wenig später wurde stattdessen das
Elfmeterschießen eingeführt – und
Uli Hoeneß wird dankbar sein, wenn
wir die Uraufführung dieser un-
„FUSSBALL VOM ANDEREN STERN“: LIBERO FRANZ BECKENBAUER UND MITTELFELD-REGISSEUR GÜNTER NETZER
NACH DEM 3:0-FINALSIEG GEGEN DIE UDSSR BEIM ERSTEN EM-TITELGEWINN 1972 IN BRÜSSEL.