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AUF DEM WEG ZUR EURO 2016
DIE DEUTSCHE EM- GESCHICHTE
heutigen Handys: „Es war eines die-
ser Funksprechgeräte wie bei der
Bundeswehr“, erinnert sich der DFB-
Präsident, „es lag mir wie ein Brikett
schwer in der Tasche, und die Hose
hat es mir bis zum Knie runtergezo-
gen.“ Vor allem nach dem Endspiel.
Aus ihren Liegestühlen und Strand-
körben, so die Mär, waren die Dänen
kurzfristig aus dem Urlaub ein
bestellt, als Ersatz für die wegen des
Balkankriegs disqualifizierten Jugo
slawen – und dann besiegten uns
diese Sonnenanbeter im Endspiel und
sangen nach dem 2:0 im Göteborger
Stadion: „We are Red and we are
White, we are Danish Dynamite.“
Die bittersten Niederlagen sind die,
die man als Favorit erleidet – und fast
hätten uns bei der EM 1996 (wie
schon 1976) auch die Tschechen
nochmal die lange Nase gezeigt.
Erstmals waren 16 Teams dabei, und
Matthias Sammer spielte sich zu
„Europas Fußballer des Jahres“
empor. Er war der Abwehr- und Ban-
denchef, vor ihm packte „Ostfriesen-
Alemao“ Dieter Eilts seine deutsch-
brasilianischen Tugenden aus, und
Andy Köpke hielt gegen Italien und
macht, und dann, es stand 1:1, die
vorletzte Minute, der letzte Eckball.
Rummenigge drosch den Ball vors
Tor, und der Ungeheuerliche brachte
seine 195 Zentimeter und 98 Kilo zur
finalen Vollstreckung in Stellung.
Zweimal wurden sie in jenen 80ern
Vizeweltmeister. Bei der EM 1984, die
in einen Heimsieg der Franzosen um
Michel Platini mündete, waren im
Viertelfinale aber die Spanier End
station und 1988 im Hamburger
Halbfinale die Holländer. Jürgen
Kohler verlor den letzten Zweikampf
gegen Marco van Basten, und danach
gab es nur noch eins: Aufstehen,
Mund abputzen und Hintern ab
wischen – wie Ronald Koeman seinen
mit dem Trikot von Olaf Thon.
Zur Strafe haben Matthäus, Brehme,
Völler und Kohler & Co zwei Jahre
später den Europameistern um
Rijkaard, van Basten und Gullit dann
gezeigt, wie man Weltmeister wird,
und auch bei der folgenden EM 1992
telefonierte der damalige Pressechef
Wolfgang Niersbach zunächst gute
Nachrichten in die Heimat, mit der
monströsen Ursprungsvariante des
verriet später Sepp Maier, und jeder
weitere warme Händedruck war be-
rechtigt, denn die DFB-Zauberer
sorgten mit ihrem „Traumfußball des
Jahres 2000“ („L’Equipe“) für Zu-
kunftsvisionen und ließen keine Wün-
sche offen, sondern höchstens die
Frage: Was ist, wenn Müller aufhört?
Die Antwort hieß Müller. Dieter
Müller, der Kölner, flog als Neuling
mit zur EM ’76 nach Belgrad, ent-
schied mit einem Hattrick das Halb
finale gegen Jugoslawien und traf
auch im Endspiel. Nach der Verlän
gerung aber (es stand 2:2) musste,
siehe oben, statt einer Münze der
Hoeneß ran, und Panenka, der
Schweijk aus Prag, düpierte am Ende
mit einem hundsgemeinen Kunst-
schuss den Maier-Sepp.
Bei der EM 1980 bestritten erstmals
acht Teams die Endrunde, und übrig
blieben zum Finale in Rom die Belgier
und die Deutschen. Von hinten raus
machte Bernd Schuster das Spiel,
und vorne sorgte Horst Hrubesch
dafür, dass es nach 90 Minuten
pünktlich zu Ende ging: Schon das
1:0 hatte der Hamburger Hüne ge-
„SCHUSS IN DEN BELGRADER NACHTHIMMEL“: ULI HOENESS
VERGIBT IM ELFMETERSCHIESSEN GEGEN DIE CSSR 1976.
EM-TITEL 1980 IN ROM: KAPITÄN BERNARD DIETZ
UND KARL-HEINZ RUMMENIGGE AUF DER EHRENRUNDE.