dem 2:2 gegen Holland könnte es
sogar zum Finale wieder reichen.
Fünf Törchen gegen Österreich – und
alles ist drin.
Hansi Krankl singt sich
in die Hitparade
Cordoba, 21. Juni 1978. Die Wiener
haben gegen uns Deutsche 47 Jahre
lang nichts gewonnen, und Robert
Sara, ihr Verteidiger, behauptet
hinterher, der Schalker Flügelgott
Rüdiger Abramczik habe ihn auf
dem Platz gefragt: „Kriegst du für
Fußball eigentlich auch Geld?“
Zunächst läuft im Stadion Cha-
teau Carrera alles normal. 1:0
Rummenigge. Doch dann ver
wechselt Berti die Beine, Eigentor.
Krankl macht das 1:2, Hölzenbein
gleicht aus – und was dann ge-
schieht, bestätigt Max Merkel, denn
der hat schon immer behauptet:
„Das Beste am österreichischen
Fußball ist der Rundfunk.“
In dem Fall Edi Finger. In der
vorletzten Minute brüllt er in sein
Mikrofon, ehe er es verschluckt:
„Tooor! Tooor! Tooor! Tooor! Tooor!
Tooor! I werd narrisch, wir fall’n
uns um den Hals, der Kollege
Rippel, der Diplomingenieur Posch,
wir busseln uns ab!“ Und Hansi
Krankl singt sich als „Johann K.“
später mit der Wiener Version des
Paul-Anka-Songs „Lonely Boy“ in
die Hitparade. Für die Österreicher
gibt es nichts Schöneres, als
anderntags mit den Deutschen
nach Hause zu fliegen.
Ascochinga, einem Erholungsheim
der argentinischen Luftwaffe, auf
harte Proben gestellt. Ascochinga
ist eine von der Zivilisation weitge-
hend isolierte Siedlung in der Prärie
und heißt, aus dem Indianischen
übersetzt, ungefähr toter Hund.
Schöns amtierende Weltmeister
und zwei Dutzend deutsche Jour
nalisten bekämpfen unter einem
Dach gemeinsam den Lagerkoller.
Zur musikalischen Untermalung des
Mittagessens spielt Franz Lambert
an seiner Orgel auf, abends läuft
„Der Clou“ mit Robert Redford und
Paul Newman, und aus den Spieler-
zimmern erklingt Udo Jürgens mit
„Es wird Nacht, Senorita.“ Doch jeder
Ausbruchversuch ins ferne Cordoba
ist gewagt – einmal blicke ich auf
dem nächtlichen Rückweg in den Ge-
wehrlauf patrouillierender Soldaten.
Wir Insassen stützen uns gegen
seitig. „Kannst du Tischtennis?“, fragt
Ersatztorwart Dieter Burdenski, und
die Platte im Keller gehört fortan
uns. Dann bringt mir Titelverteidiger
Schwarzenbeck, der ohne den Franz
nur noch Ersatz ist, das Schafkopfen
bei. „Katsche“ ist lustig, sogar den
Briefträger in der Komödie „Wehe,
wenn Schwarzenbeck kommt“ hat
er gespielt – aber in Ascochinga hat
er nichts zu lachen. Irgendwann
schmettern die Spieler durch die
Cafe-Bar sehnsüchtig das Lied „In
der Heimat, in der Heimat, da gibt’s
ein Wiedersehn“.
Vorher bringen sie aber noch das 0:0
gegen Italien hinter sich. Und nach
Im Juni kann man sich in Argentinien
erkälten. Im Juni ist dort Winter.
Aber vor allem in diesem Juni 1978
ist es kalt, denn „El Mundial“ ist die
WM der Generäle, die Junta hat die
Macht. Und immer donnerstags
versammeln sich auf der Plaza de
Mayo in Buenos Aires verzweifelte
Mütter zum stummen Protest – ihre
Söhne sind spurlos verschwunden in
den Folterkammern.
In einer solchen Atmosphäre kann es
schwer sein, die richtigen Worte zu
finden. Als Berti Vogts, der deutsche
Kapitän, befragt wird, gibt er die
kürzeste aller denkbaren Antworten:
„Wir sind hier, um Fußball zu spielen.“
Auch der ist nicht so gut. Von den
74er-Weltmeistern spielen nur noch
Vogts, Maier, Bonhof und Hölzenbein.
Vor allem Franz Beckenbauer fehlt.
Weil der jetzt bei Cosmos New York
spielt, in der „Operettenliga“ (DFB-
Präsident Hermann Neuberger), hat
Bundestrainer Helmut Schön auf
ihn verzichtet – „dabei“, ahnt Sepp
Maier, „würde der Franz mit einem
Bein noch besser kicken als jeder
andere hier“.
Maier hält lange dicht. 0:0 gegen
Polen. Danach wird das 6:0 gegen
Mexiko vom 0:0 gegen Tunesien
gleich wieder zunichtegemacht –
und die Stimmung im DFB-Quartier
ENTTÄUSCHTER ABGANG: RÜDIGER ABRAMCZIK,
RAINER BONHOF UND ROLF RÜSSMANN (VON LINKS).
FÜHRUNG NACH PLAN: KARL-HEINZ RUMMENIGGE
ÜBERWINDET TORHÜTER FRIEDL KONCILIA ZUM 1:0.
1 9 7 8
ARGENT I N I EN