CdN Newsletter 18 - page 17

ausgeschieden wären, hätten wir
das schon damals verwirklicht. Im
Training wurde es bereits auspro-
biert. In die Tat umgesetzt haben wir
es dann danach. So wurde und war
ich Deutschlands erster Libero in der
Nationalmannschaft.
CDN-MAGAZIN:
Worauf muss sich
die deutsche Mannschaft in Brasilien
ganz besonders einstellen?
„Wer über die Hitze jammert,
soll zu Hause bleiben.“
SCHNELLINGER:
Sie wird sich
bestimmt genau so intensiv vorbe-
reiten wie wir damals. Und sie wird
versuchen, gegen Portugal einen
guten und erfolgreichen Einstieg ins
Turnier zu schaffen. Das wäre, wie
1990 in Mailand mit dem 4:1 gegen
Jugoslawien, schon mal ganz wich-
tig. Dazu gehört, die äußeren Be-
gleiterscheinungen zu ignorieren.
Wer jammert, ihm sei die Hitze zu
groß oder die Distanzen bei den
Reisen im Lande zu weit, der soll zu
Hause bleiben.
CDN-MAGAZIN:
Ist es Ihrer Mei-
nung nach ein Vorteil, dass unsere
Mannschaft in der Vorrunde einem
südamerikanischen Gegner erst mal
aus dem Weg geht?
stehende WM-Endrunde in Brasilien.
Sie haben zwei ihrer vier WM-Turnie-
re in Lateinamerika absolviert. Wie
ordnen Sie diese beiden Ereignisse
1962 in Chile und 1970 in Mexiko ein?
SCHNELLINGER:
Für mich war der
Stellenwert aller meiner vier WM-
Teilnahmen gleich hoch. Natürlich
waren die äußeren Umstände in Chile
und Mexiko ganz anders als in Schwe-
den 1958 und England 1966. Doch
mit diesen Problemen im südame­
rikanischen Sommer mussten sich
damals auch alle anderen Mann-
schaften abfinden. Das hieß und heißt
auch jetzt, wenig oder gar nicht über
die Hitze und die anderen Widrigkei-
ten reden, sondern sich möglichst
schnell daran gewöhnen.
CDN-MAGAZIN:
Sportlich fanden
die beiden WM-Teilnahmen in Latein-
amerika für Sie in taktisch unter-
schiedlicher Rolle statt. 1962 als
linker Verteidiger, 1970 im defensiven
Mittelfeld. Wie kam es zu diesem
Wechsel?
SCHNELLINGER:
Diesen Rollen-
wechsel hatte sich Sepp Herberger
ausgedacht. Mit mir als freiem Mann
vor der Abwehr im Mittelfeld. Wenn
wir 1962 in Chile nicht sehr unglück-
lich schon früh gegen Jugoslawien
Fußballgrößen in der Tat als eines
der denkwürdigsten Ereignisse der
WM-Geschichte bezeichnet wird.
CDN-MAGAZIN:
Dennoch wäre es
höchst unfair, Ihre großartige Kar­
riere als einer der besten deutschen
Fußballspieler auf dieses eine und
einzige Tor zu reduzieren.
SCHNELLINGER:
Meine größten
Erfolge mit dem AC Mailand oder der
Gewinn der Vize-Weltmeisterschaft
1966 in England kamen ja, wie zuvor
auch der deutsche Meistertitel mit
dem 1. FC Köln, in den Jahren vor
diesem Tor zustande. In Deutsch-
land weiß dies mittlerweile fast
niemand mehr. Wenn man heute die
deutschen Zeitungen liest, hat man
den Eindruck, der deutsche Fußball
hätte erst in den 70er-Jahren seinen
Anfang genommen. Daher war und
ist dieses Tor für mich besonders
wichtig, zumal die damalige Taktik
so ausgerichtet war, dass man als
Defensivspieler die Mittellinie nur
in Ausnahmefällen überschreiten
durfte. Der liebe Gott hat mich mit
diesem Tor meine Karriere abrunden
und mich nicht ganz in Vergessenheit
geraten lassen.
CDN-MAGAZIN:
Der aktuelle An-
lass dieses Gesprächs ist die bevor-
„AUSGERECHNET SCHNELLINGER“: DER GEBÜRTIGE DÜRENER
ERZIELTE IM HALBFINALE DER WM 1970 GEGEN ITALIEN „SEIN“ TOR.
1...,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16 18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,...44