CdN Newsletter 18 - page 14

klimpert bei der Siegesfeier virtuos auf
dem Klavier. Warum wir dann nicht
auch vollends Weltmeister werden?
Zugegeben, Diego Maradona hat es
am Ende verdient. Er ist, schwärmt
einer, „der Picasso unter Anstrei-
chern“. Und doch braucht der
Künstler im Finale viel Glück. Die
Argentinier führen 2:0, woran der
zuvor so famose Schumacher („Ich
habe gehalten wie ein A...“) nicht ganz
unbeteiligt ist, doch in der letzten
Viertelstunde geht das Azteken­
stadion mit seinen 115.000 Gefühlen
plötzlich Gassi. 1:2 Rummenigge.
2:2 Völler. Die Deutschen wollen
jetzt alles – und laufen ins Messer.
Maradona zu Burruchaga. 2:3.
„Wir hätten einfach in die Verlän­
gerung gehen und dort unsere kör-
perlichen Vorteile ausspielen sollen“,
sagt Karlheinz Förster.
Hören wir da richtig: Körperliche
Vorteile, in dieser Hitze und Höhe?
Warum reden uns diese statistischen
Erbsenzähler nur dauernd ein, dass
wir in Lateinamerika keinen Blumen-
topf gewinnen? In Wahrheit steht
nach diesen vier Turnieren absolut
wasserdicht fest: Aller guten (und
hitzigen) Dinge sind fünf.
Oskar Beck
sondern Schmidts. Sogar die auf der
Bank. Rolff. Jakobs. Eder. Oder Uli
Stein. Der ist Weltklasse, aber Team-
chef Franz Beckenbauer setzt im Tor
auf Toni Schumacher, und weil Stein
so garstige Worte wie „Suppenkasper“
und „Gurkentruppe“ entfahren, hilft
nur noch seine Zwangseinweisung
ins nächste Flugzeug nach Hause.
Steins Zwangseinweisung
ins Flugzeug nach Hause
Die „Gurkentruppe“ zittert sich der-
weil gegen Uruguay (1:1), Schottland
(2:1), Dänemark (0:2), Marokko (1:0)
und Mexiko (4:1 nach Elfmeter­
schießen) ins Halbfinale – und da
sitze ich nun im Café in Guadalajara,
und Frankreich wartet.
Platini. Giresse. Tigana. Auf „la ola“,
der mexikanischen Welle der Begeis-
terung, ist dieses magische Dreieck
durch die WM geschwommen, aber
Hans-Peter Briegel grinst nur. „Die
zittern jetzt schon“, sagt die „Walz aus
der Pfalz“ – und denkt an Sevilla ’82.
Es ist alles wieder wie damals. Die
Franzosen zaubern und die Deut-
schen holpern durch die WM, in der
DFB-Herberge „Mansion Galindo“ in
Queretaro wackeln sogar mitunter
die Wände. Beckenbauer macht sein
erstes Turnier als Trainer. „Er stand
sehr unter Druck“, sagt Felix Magath
später, „was zum Reizklima führte“.
Aber für die Franzosen reicht es
trotzdem wieder. 1:0 Brehme, 2:0
Völler. DFB-Präsident Egidius Braun
Am 25. Juni 1986 sitze ich vor dem
WM-Halbfinale in einem Café am
Jalisco-Stadion in Guadalajara neben
einem traurigen brasilianischen
Kollegen. Socrates, Falcao und Zico
sind vier Tage vorher ausgeschieden –
nach einem atemberaubenden Duell
gegen Frankreich, mit dem finalen Thrill
des Elfmeterschießens. 4:5. „Ihr seid
trotzdem die Besten“, tröste ich ihn.
„Nein, Ihr seid die Besten“, wider-
spricht er, „alle Brasilianer be­
wundern Euch Deutsche, denn Ihr
gewinnt, auch wenn Ihr nicht so gut
spielt. Glaub mir, die brasilianischen
Fans wären gerne Deutsche.“ Ich
weiß nicht, ob ich lachen oder weinen
soll, und nehme den armen Kerl
in den Arm. Fußball ist verrückt.
Wir Deutschen verzweifeln hier an
unserem Rumpelkicken – und der
Rest der Welt zittert vor uns.
Wenn Karlheinz Förster zurückblickt
auf jene 80er-Jahre, in denen er
zweimal Vize-Weltmeister wurde,
sagt er: „Die Struktur stimmte. Wir
hatten starke Führungsspieler, alle
hatten eine tragende Rolle in ihren
Klubs. Jeder wusste, was zu tun war.“
Schumacher, Augenthaler, Förster,
Briegel, Matthäus, Rummenigge,
Magath, Brehme, Littbarski, Allofs,
Völler. Sie waren keine Schmidtchen,
TORJUBEL: DARAUF HOFFEN
THOMAS MÜLLER UND SEINE MIT-
SPIELER AUCH IN BRASILIEN.
1986
M E X I C O
„INS MESSER GELAUFEN“: JORGE BURRUCHAGA
ERZIELT DEN 3:2-SIEGTREFFER FÜR ARGENTINIEN.
HOFFNUNG AUF DEN 3. WM-TITEL: RUDI VÖLLER
MARKIERT NACH 0:2-RÜCKSTAND DAS 2:2.
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...44