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AKTUELL IM BLICKPUNKT
DER WM-TITEL 2014 UND DIE FOLGEN
beim Turnier in Südafrika auf Abwege
geratenen Franzosen wieder auf Kurs
brachte. Aus dem Kapitän der fran­
zösischen Weltmeister von 1998 ist
ein Fußball-Lehrer von Spitzenformat
geworden, der aber auch die Spe­
zialisten um sich herum braucht, die
den Lauf der Dinge in allen großen
Fußballmannschaften der Welt mit-
bestimmen.
Insofern ist Löw eigentlich ein zeit-
gemäßer Teamchef, wie man früher
die Bundestrainer ohne Trainerschein
wie Beckenbauer und Rudi Völler
nannte. Keinen Wert darauf legend,
wie ein Trainerstar angehimmelt zu
werden, sah sich Löw während des
Turniers in Brasilien in der Gruppe
seiner Trainermitarbeiter Hans-Dieter Flick, seit kurzem DFB-Sport-
direktor, und Andreas Köpke sehr gut
aufgehoben. Dazu hielt er wie immer
seit seinem Amtsantritt 2006 engen
Kontakt zu Teammanager Oliver
Bierhoff und zu jenen Fachleuten aus
Teamärzten, Physiotherapeuten,
Psychologe und Fitnesstrainern, die
für die Rundumversorgung der Welt-
meister wertvolle Beiträge leisteten.
„Wer etwas verändern will, muss
neue Wege gehen“, lautet Löws
Motto. Dazu gehört auch das uneitle,
vernetzte Arbeiten in flachen Hier­
archien und die Einsicht, allein nichts,
zusammen aber alles bewirken zu
können.
Der Bundestrainer ist wie seine Bun-
desligakollegen auf dem Laufenden,
was die neuesten sportwissenschaft-
nahe, aber nicht nah genug. Löw wird
es locker verkraftet haben.
Der Mann war in Brasilien zudem in
bester Gesellschaft. Drei der vier
Trainer der Halbfinalisten spielten
nie für ihr Land: Löw, der Nieder­
länder Louis van Gaal und der Brasi-
lianer Luiz Felipe Scolari. Lediglich
der Argentinier Alejandro Sabella
kam, wenn Diego Armando Mara­
dona einmal unpässlich war, als
Ersatzspielmacher auf vier Länder-
spiele. Auch der Argentinier José
Pekerman, der Kolumbien ins WM-
Viertelfinale führte, wurde nie in die
Albiceleste berufen.
Ohne ein Spiel für sein Heimatland
Kolumbien bestritten zu haben, be-
endete zudem Jorge Luis Pinto seine
aktive Laufbahn. Als Trainer, der
Costa Ricas Aufstieg bis unter die
letzten Acht bei der WM verant­
wortete, lieferte er kleine Meister-
werke ab. So wie der nie in eine
Auswahl berufene Argentinier Jorge
Sampaoli, dessen Chilenen zwar im
WM-Achtelfinale unglücklich an
Brasilien scheiterten, aber dennoch
wegen ihrer spektakulären Auftritte
in Erinnerung bleiben.
Joachim Löw lag also im Trend bei
der Weltmeisterschaft in Brasilien,
die nur zwei Trainer mitprägten, die
auch als Spieler zu den Stars ihres
Landes zählten: Marc Wilmots, der
die Belgier nach dürren Jahren
zurück in die Weltklasse hievte,
und Didier Deschamps, der die 2010
gewesen sein sollte. Löws drei
Vorgänger, die den Mythos der Fuß-
ballweltmacht Deutschland begrün-
deten und fortschrieben, erfüllten
diese Kriterien:
Sepp Herberger, 1954 der Vater des
„Wunders von Bern“, kam auf drei
Länderspiele, in denen der Mann­
heimer Stürmer zwei Treffer erzielte.
Helmut Schön, in seiner Zeit beim
Dresdner SC ein gefürchteter An­
greifer, schoss in 16 Länderspielen
17 Tore, ehe er in der Blüte des ersten
Bundesliga-Jahrzehnts Mannschaf-
ten formte, die 1972 und 1974 an die
europäische und Weltspitze stürm-
ten. Der Münchner Franz Becken­
bauer, „Kaiser“ und Inkarnation des
Liberos, war Schöns Kapitän und An-
führer der Welt- und Europameister
in den siebziger Jahren. Er fügte
seiner Heldenvita mit 103 Länder-
spielen als Teamchef eine vergoldete
Fortsetzungsgeschichte hinzu, als er
die Nationalmannschaft mit Glanz
und Gloria zum WM-Titel 1990 in
Italien führte.
Und Löw? Null Länderspiele, eine
überschaubare Bundesliga-Vergan-
genheit als Stürmer oder offensiver
Mittelfeldspieler mit insgesamt
52 Spielen und sieben Toren beim
VfB Stuttgart, der Frankfurter Ein-
tracht und beim Karlsruher SC,
aber noch immer der Rekordtor-
schütze des damaligen Zweitliga­
klubs SC Freiburg mit 81 Treffern.
Mit vier U21-Länderspielen kam er
der A-Nationalmannschaft zwar
SEPP HERBERGER, HELMUT SCHÖN, FRANZ BECKENBAUER:
JOACHIM LÖWS VORGÄNGER ALS WELTMEISTER-TRAINER WAREN AUCH NATIONALSPIELER.
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