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AKTUELL IM BLICKPUNKT
DER WM-TITEL 2014 UND DIE FOLGEN
schaft auch mal auf diese Art helfen
musste. Weitere Bilder: Seine tau-
send Dribblings als Linksverteidiger,
als Rechtsverteidiger, im Mittelfeld,
seine tausend Balleroberungen und
die zahllosen Szenen, bei denen man
etwas genauer hinschauen muss, um
seine Klasse in ihnen zu erkennen.
Lahm war immer da, Lahm war
immer gut, Lahm hat fast nie gefehlt,
Lahm hat nie geschwächelt.
Lahm war konstant brillant, er spielte
derart durchgehend auf höchstem
Niveau, dass Bastian Schweinsteiger
sich zu der nicht ganz ernst gemein-
ten Bemerkung hinreißen ließ, er
würde auf dem Platz spontan Ap-
plaus spenden, sollte Lahm tatsäch-
lich einmal einen Fehlpass spielen.
Weil dies zeigen würde, dass auch
Philipp Lahm nur ein Mensch ist.
Lahm ist Mensch, sogar in erster Linie.
Und deswegen hat auch er sich nach
dem Titel in Brasilien entschlossen,
aus der Nationalmannschaft zurück-
zutreten. Der Mensch Lahm ist
Familienmensch und der Familien-
mensch Lahm hat dem Nationalspie-
ler Lahm das Stoppzeichen gesetzt.
„Mein Leben gehört mir“, sagte Lahm
zu sich selbst und dann auch der
Öffentlichkeit. „Wenn ich glücklich
bleiben will, auch über meine Fuß-
ballkarriere hinaus, dann muss ich
mein Leben selbst bestimmen, das
heißt: Entscheidungen treffen, bevor
sie mich einholen. Ich bin glücklich
und dankbar, dass mein Karriere-Ende in der Nationalmannschaft mit
dem Gewinn der WM in Brasilien
zusammenfällt. Herzlichen Dank für
die wunderbare Zeit.“
Drei überragende Sportler und Men-
schen verlassen die Nationalmann-
schaft. Und nach der Neuauflage des
WM-Finals wurden diese im Kreis der
Nationalmannschaft geehrt, gewür-
digt und schließlich verabschiedet.
Die Familien der drei nunmehr Ex-
Nationalspieler waren geladen, und
alle Mitstreiter der WM in Brasilien
waren gekommen. Der neue Kapitän
Bastian Schweinsteiger sowieso,
Shkodran Mustafi, dazu die ebenfalls
verletzten Mesut Özil und Sami
Khedira. Auch die Düsseldorfer DFB-
dass er vor lauter Begeisterung im
Spiel gegen England gleich noch
den 1:0-Siegtreffer markierte. „Klar
war das etwas ganz Besonderes für
mich“, sagt er.
Mertesacker war Kapitän an diesem
Abend in London, in Vertretung von
Philipp Lahm. Es war ein kleiner Blick
in die Zukunft, ein Fingerzeig, wie es
aussehen wird, wenn die Mannschaft
ohne Kapitän Lahm antreten muss.
Seit 2004, seit zehn Jahren hat Lahm
alles für den deutschen Fußball ge-
geben. Auszüge einer Ausnahme
karriere: Das Tor gegen Costa Rica
als Ouvertüre des Sommermärchens
2006, das Tor gegen die Türkei, das
Deutschland 2008 ins EM-Finale
führte, das Tor gegen Griechenland,
das bei der EM 2012 den Weg ins
Halbfinale ebnete.
Für einen Verteidiger hat Lahm nicht
übermäßig viele Tore geschossen,
aber er hat ein übermäßig gutes Ge-
spür dafür gehabt, wann er der Mann-
mals Gedanken in diese Richtung ge-
äußert. „Die Familie kommt aktuell
ein wenig zu kurz“, hatte er gesagt,
„aber es wird eine Zeit kommen, in der
die Familie viel mehr im Vordergrund
steht.“ Die Zeit ist gekommen. Jetzt.
Mit Mertesacker geht ein Spieler, der
zehn Jahre lang vorausgegangen
war – und mitunter auch vorausge-
fahren ist. So wie bei einem Länder-
spielwochenende im Herbst 2013.
Deutschland spielte gegen England.
In London. In Mertesackers Wahl-
heimat. Diese Episode zählt zu den
kuriosesten in der Länderspielhis
torie: Zum Training ins Wembley-Stadion ist das DFB-Team mit der
U-Bahn gefahren. Spontan. Aber
auch, weil Mertesacker am Abend
zuvor den unterirdischen Weg erkun-
det hatte. Sein Urteil: geht schnell, ist
sicher, keine Staus – Daumen hoch.
„Diese Tube-Fahrt gehört zu den
Highlights meiner Karriere“, sagt er.
Mertesacker war so euphorisiert,