CdN Newsletter 22 - page 37

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CDN-MAGAZIN 22 /2015
Für die Schublade mit dem schlam-
pigen Genie hätte selbst der beste
Scout keine großartigere Besetzung
finden können. WOLFRAMWUTTKE,
die fußballerische Hochbegabung,
dessen Eskapaden seine Karriere
jedoch immer wieder in eine Sack-
gasse geführt haben. Für Günter
Netzer, den seinerzeitigen Manager
des Hamburger SV, war er „eines
der größten deutschen Fußballta-
lente aller Zeiten“. Und selbst Jupp
Heynckes, unter dem er 1980 bis
1982 bei Mönchengladbach trai-
nierte und spielte und den Wuttke
als „introvertierten Pedanten und
Feldmarschall“ bezeichnete“,
nannte ihn im Rückblick einen
„begnadeten Fußballer und lie-
benswertes Schlitzohr.“ Schon als
er mit 17 Jahren bei Schalke 04 in
der Bundesliga debütierte, zeich-
nete sein Spiel das gewisse Etwas
und Besondere aus. Als Mann für
das Unerwartete auf dem Spielfeld,
konnte den Offensivkünstler dort
an guten Tagen keiner aufhalten.
Mit seiner Unberechenbarkeit
außerhalb des Spielfelds, wo er
seinen Neigungen und seiner Miss-
achtung aller Autoritäten inklusive
seiner Trainer freien Lauf ließ, war
er freilich ebenso wenig zu brem-
sen und stand sich dort immer wie-
der selbst im Weg. So blieb seine
Fußballlaufbahn, die 299 Bundes­
ligaspiele mit 66 Toren umfasste
und vielen so viel versprach, nicht
nur unvollendet, sie steuerte
zudem an den großen Momenten
vorbei. Mit Schalke stieg er zwei-
mal ab, der HSV holte ihn erst nach
dem Europapokalsieg der Landes-
meister 1983 und verlor mit ihm
das Spiel um den Weltpokal gegen
Porto Alegre, und in Kaisers­
lautern, wo er von 1985 an seine
erfolgreichste Zeit als Spieler hat-
te, war er kurz vor dem Pokal­
triumph 1990 suspendiert worden.
Vier A-Länderspiele mit der Teil-
nahme an der EM 1988 und vor
allem der Gewinn der Bronzeme-
daille mit dem DFB-Olympiateam
1988 in Seoul („Das Schönste, was
ich in meiner Karriere erlebt habe“)
stehen als viel zu geringe Ausbeute
in seiner internationalen Bilanz.
In der Nacht zum 1. März 2015 ist
Wolfram Wuttke, der während
seiner zwei Jahre von 1990 bis
1992 bei Espanol Barcelona
650.000 Mark pro Saison verdient
hatte, verarmt und nach unheil­
barer Erkrankung mit 53 Jahren
gestorben. In Erinnerung bleiben
die genialen Tore, die unwidersteh-
lichen Dribblings, die raffinierten
Frei- und Eckstöße sowie als sein
persönliches Markenzeichen die
phänomenalen Passfolgen mit dem
Außenrist, die Tricks eines Kunst-
schützen, der ein wirklich ganz
Großer hätte werden können.
wt
***
Er war unglaublich schnell, dazu
hart und kompromisslos im Zwei-
kampf, wie es sich für einen Ver­
teidiger der Extraklasse gehörte.
Dazu war er ehrlich, verlässlich,
fleißig und fair, authentisch, wie
man heute sagt, und brachte folg-
lich alles mit, um schon zu Leb­
Wir trauern um Helmut Nordhaus (92), Erich Retter (89), Fritz Pott (75),
Horst Kohle (79) und Wolfram Wuttke (53), die am 14. Oktober 2014
in Erfurt, am 27. Dezember 2014 in Stuttgart, am 11. Januar 2015
in Köln, am 20. Januar 2015 in Straussberg und am 1. März 2015 in
Lünen verstorben sind.
WOLFRAM WUTTKE
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