CdN Newsletter 22 - page 15

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Wirklichkeit. Wenn wir Buben uns auf
dem Bolzplatz trafen, wählten zwei
Anführer ihre Teams zusammen, und
den zwei krummbeinigen Stolperern,
die übrig blieben, wurde befohlen:
„Ihr geht ins Tor.“ Nun aber wollten
plötzlich alle ins Tor. Und Turek sein.
Oder Fritz Herkenrath, der 1958 im
WM-Kasten stand. Oder danach
Wolfgang Fahrian und Hans Til­
kowski. Der fing sich 1966 im WM-Finale gegen England das „Wembley-
Tor“ ein, das berüchtigste Tor der
Fußballgeschichte – man wurde
langsam berühmt als Torwart.
Für den Durchbruch sorgte vollends
Sepp Maier. Von dessen Wundertaten
ließ sich sogar Wencke Myhre inspi-
rieren („Er steht im Tor, im Tor, im Tor
und ich dahinter“), und irgendwann
hat sich der Sepp selbst besungen -
als sich bei den Münchner Löwen
Petar Radenkovic mit „Bin i Radi, bin i
König“ in die Charts trällerte, kon­
terte der Bayernrivale: „Bin i Radi, bin
i Depp, König ist der Maiersepp.“
Europameister 1972. Weltmeister
Köpkes Elfmetertötereien bei der EM
1996? Oder D) die halsbrecherischen
Ausflüge, mit denen sich Manuel
Neuer bei der WM 2014 den Ritter-
schlag als „bester Libero seit Franz
Beckenbauer“ verdiente? Das sind
jetzt nur vier unter vielen – und fast
alle anderen können ohne falsche
Bescheidenheit ebenfalls von sich
sagen, dass sie als Rückhalt in die
Annalen eingingen.
Wir wollen hier die Geschichte der
„Helden von Bern“ nicht noch einmal
aufarbeiten, sie ist vorwärts und
rückwärts erzählt. Auf keinen Fall
weglassen dürfen wir aber die drei
wichtigsten Worte beim Wunder von
Bern, die Herbert Zimmermann an
jenem verregneten Julitag anno ’54
kurz vor Schluss in sein Mikrofon
brüllte: „Toni, du Fußballgott!“
Turek hat dem Torhüterwesen in
Deutschland ein neues Gesicht
gegeben. Bis dahin war Torwart eine
Strafe. Die Frühgeburten unter uns
entsinnen sich lebhaft der brutalen
nicht im Finale gelandet, sondern
nach der Vorrunde auf Schleich­
wegen heimgeflogen. Serienweise
hat er Unhaltbare entschärft, zum
besten Spieler der WM wurde er
gewählt, viele hielten ihn für einen
Außerirdischen – aber wenn Kahn
heute zurückblickt, sagt er: „Ich war
erst mit 30 einigermaßen komplett.
Manuel Neuer ist schon viel, viel
früher besser.“ Auf Anhieb wird klar:
Wenn es ein Schlaraffenland des
Überflusses gibt, dann ist es das
Torwartland Deutschland.
In der langen Liste der großen
Turniererfolge hatten wir nie einen
Nachtwächter im Kasten, sondern
meistens Teufelskerle, und bei so
vielen Heldengeschichten gibt es
nichts Kniffligeres als das Quiz:
Welches Bravourstück eines deut-
schen Torwarts war das größte?
A) Toni Tureks Wundertat in letzter
Minute gegen den Ungarn Czibor in
Bern 1954? B) Sepp Maiers Panther-
sprung im WM-Finale ’74 gegen den
Holländer Jonny Rep? C) Andy
GLANZPARADE:
MANUEL NEUER
RETTET IM WM-VIERTELFINALE
2014 GEGEN FRANKREICH.
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...44
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