CdN Newsletter 22 - page 17

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bei der WM 1994 Köpke statt Illgner
in den Kasten gehört, und 1998 Kahn
statt Köpke?
Klinsmann nahm jedenfalls Lehmann
statt Kahn – und wie der die Degra-
dierung weggesteckt hat, den Team-
gedanken auf der Ersatzbank mitge-
lebt und so beigetragen hat zum
„Sommermärchen“, gehört zu den
tollsten Reflexen der großen deut-
schen Torhüter.
Das aber ist für Jogi Löw jetzt kein
Thema. Er hat Manuel Neuer, den
besten Torwart der Welt – oder
lassen wir es noch schöner Xabi
Alonso sagen: „Er ist nicht nur mit
Abstand der beste Torwart, mit dem
ich je zusammengespielt habe,
sondern auch als elfter Feldspieler
überragend.“ Wären Ronaldo und
Messi auch als Torhüter überragend?
Die FIFA hätte Manuel Neuer doch
wählen sollen zum „Spieler des
Jahres 2014“ – er ist der komplet­
teste Fußballer der Welt.
Oskar Beck
schen den Pfosten die Philosophie,
die der früher bei Borussia Mönchen-
gladbach beschäftigte US-Keeper
Kasey Keller wunderbar so erklärt
hat: „Als Ersatztorwart weißt du:
Du spielst nur, wenn dein Konkurrent
von einem umfallenden Lichtmast
getroffen wird.“
Qual der Torhüterwahl:
Luxusproblem des Trainers
Das hält nicht jeder aus. Als Uli Stein
erfuhr, dass ihm Teamchef Franz
Beckenbauer bei der WM 1986 in
Mexiko Toni Schumacher vorzog, fiel
das Wort „Suppenkasper“, und es half
nur noch Steins Zwangseinweisung
ins nächste Flugzeug nach Hause –
er hielt sich für den Besseren, und
vielleicht war er das damals auch. So
sieht das Luxusproblem eines Trai-
ners aus, der die Qual der Wahl hat.
Später musste sich Berti Vogts
fragen lassen, ob er an seinen alten
Titelverteidigern im Tor zu lange
festhielt, obwohl sie ihre beste Zeit
womöglich hinter sich hatten: Hätte
Papier, auf dem die Angewohnheiten
der gegnerischen Schützen standen,
fingerte Lehmann im Elfmeterschie-
ßen beim damaligen Herzinfarkt­
viertelfinale in Berlin vor jedem
Schuss aus seinen Stutzen heraus,
schaute dem Argentinier vis a vis
scharf in die Augen – und der Rest ist
Geschichte.
Aber warum stand Lehmann damals
überhaupt im deutschen Tor? Warum
musste Kahn, der Titan der WM
2002, weichen? „Jens ist der bessere
Fußballer“, rechtfertigte sich Team-
chef Jürgen Klinsmann.
Viel Staub hat das seinerzeit auf­
gewirbelt. Denn die Treue zum Amts-
inhaber im Tor galt bis dahin als Pri-
märtugend jedes Bundestrainers.
Nur Sepp Herberger hatte sich, bei
der WM 1962, an diesem Prinzip ein-
mal versündigt und den Stamm­
torwart Tilkowski über Nacht durch
den 20-jährigen Wolfgang Fahrian
ersetzt, der sein Glück kaum fassen
konnte – denn in aller Regel gilt zwi-
HALBFINALE DER EURO 1996:
ANDREAS KÖPKE PARIERT IM ELF-
METERSCHIESSEN GEGEN DEN
ENGLÄNDER GARETH SOUTHGATE.
1...,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16 18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,...44
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