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AKTUELL IM BLICKPUNKT
KAPITÄNSWECHSEL IN DER NATIONALMANNSCHAFT
barkeit für seine Teams einzusetzen,
blieb danach ein Kapitän im Warte-
stand, der sich wegen seiner zahl­
reichen Blessuren bis zum EM-Qua­
lifikationsspiel gegen Georgien am
29. März 2015 in Tiflis gedulden
musste, ehe er beim Weltmeister die
Binde des Anführers endlich über-
streifen konnte. Es spricht für den
Charakter des eher auf Teilen denn
Herrschen konditionierten Ober­
bayern, dass er vor seiner offiziellen
Premiere die eigene Bedeutung als
Lahm-Erbe mit diesen Worten herun-
terspielte: „Ich bin ein Spieler, der
denkt, es müssen elf Kapitäne auf
dem Platz sein. Bei den Titeln, die ich
geholt habe, war das der Fall.“
Der sensible Teamplayer Schwein-
steiger, der mit den Bayern so viele
deutsche Meisterschaften (acht) ge-
wann wie vor ihm nur der ehemalige
Philipp Lahm war, zunächst als Ver­
treter des während der Weltmeister-
schaft 2010 wegen einer Verletzung
fehlenden Michael Ballack, 2011
auch offiziell zum Spielführer der
ersten Auswahl des Deutschen Fuß-
ball-Bundes befördert, ein Kapitän
mit allen Prädikaten einer Fußball-
Kapazität von heute. Der Münchner
vertrat einerseits die Interessen der
Arbeitsgemeinschaft Nationalmann-
schaft beharrlich und wirkte ebenso
zielstrebig darauf hin, dass Inter­
essenkollisionen auf dem Weg zu
großen Zielen vermieden wurden. Er
galt andererseits als enger Vertrau-
ter des Bundestrainers Joachim Löw,
ohne dabei die Trennlinien zwischen
Spieler und Fußballlehrer zu über-
schreiten. Die Kollegialität und na­
türliche Autorität des weltbesten
Außenverteidigers Lahm trugen ent-
scheidend dazu bei, dass Deutsch-
land am 13. Juli 2014 in Rio de
Janeiro nach einigen zuvor knapp
gescheiterten Anläufen zum vierten
Mal Weltmeister wurde.
Ähnlich uneigennützig wie er brachte
sich auch sein Stellvertreter Bastian
Schweinsteiger, der allseits be­
wunderte Schmerzensmann beim
1:0-Endspielsieg über Argentinien,
ins große Ganze ein. Mit ihm tauschte
sich Lahm, wann immer nötig, ver-
trauensvoll aus. Es war also kein
Wunder und geradezu logisch, dass
Löw nach Lahms Rücktritt im An-
schluss an den WM-Triumph dessen
Kumpel und Vertrauten Schwein­
steiger zum neuen Kapitän ernannte.
Der Mittelfeldspieler, der ein Jahr mit
vielen Verletzungen hinter sich hat
und dafür gerühmt wird, sich bis an
die Grenze der körperlichen Belast-
„Achtung, Achtung, hier spricht der Kapitän und sagt allen, wo es lang geht.“ Es war einmal,
dass die großen Steuermänner des Fußballs in ihren Mannschaften immer das erste und­
letzte Wort haben mussten. Und dabei mit ihrer starken Persönlichkeit gelegentlich aneckten
und polarisierten. Mit Philipp Lahm wurde jedoch in der deutschen Fußball-National­
mannschaft während der vergangenen Jahre ein Führungsstil gepflegt und praktiziert, bei
dem das arbeitsteilige Gemeinschaftswerk über allem gestanden und damit das Profil des
gemeinnützigen Kapitäns ausgemacht hat. An diesem Vermächtnis als Vorgabe hat sich
Lahms Nachfolger auf dem Weg zur EM 2016 zu orientieren.
Gemeinsinn
anstatt Ego-Trip
Der deutsche EM-Kapitän: Philipp Lahms Vermächtnis an seinen Nachfolger
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