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AKTUELL IM BLICKPUNKT
INTERV IEW MIT FRANZ BECKENBAUER
Franz Beckenbauer bestritt 1976 als erster deutscher Fußballer sein 100. Länderspiel.
Seit dem WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich am 6. September 2013 in München gehört
Philipp Lahm als elfter Spieler dem Club der Hunderter an. Dass Beckenbauer und bislang
auch Lahm alle ihre Länderspiele in der Startformation begannen, was ansonsten nur Jürgen
Kohler gelang, ist nicht die einzige Gemeinsamkeit der beiden gebürtigen Münchner.
Im CdN-Interview mit dem „Kaiser“ wird aber auch der eine oder andere Unterschied
zwischen dem heutigen und dem früheren Kapitän der deutschen Nationalmannschaft deutlich.
„Ein kleiner Kerl als
große Persönlichkeit“
Franz Beckenbauer über Philipp Lahm, 100 Länderspiele und die Rolle als Kapitän
CdN-Magazin: Philipp Lahm im
kleinen Kreis der Hunderter. Was
sagen Sie zum neuen Mitglied in
diesem exklusiven Club?
Franz Beckenbauer:
Dazu kann ich
ihm nur aufrichtig gratulieren. Auch
zu dem perfekten Timing, dass er
dieses Jubiläum kürzlich in seiner
Geburtsstadt München und in seinem
Heimstadion feiern konnte.
Sie waren der erste deutsche Natio­
nalspieler mit 100 Länderspielen.
Welche Erinnerung haben sie an
dieses Jubiläum am 20. Juni 1976?
Franz Beckenbauer:
Zu jenem Zeit-
punkt konnte von einer Feier leider
keine Rede sein, weil wir damals das
EM-Endspiel 1976 in Belgrad gegen
die Tschechen verloren haben. Im
Elfmeterschießen – wobei der Ball,
den Uli Hoeneß in den Nachthimmel
schoss, wohl noch heute dort unter-
wegs ist (lacht).
100 Länderspiele – was bringen sie
zum Ausdruck, wofür stehen sie?
Franz Beckenbauer:
Philipp Lahm
verkörpert alles, was einen Spieler zu
100 und in seinem Fall sicherlich
noch weitaus mehr Länderspielen
befähigt. 100 Länderspiele stehen
für Konstanz, für gute Leistungen
vor allem im Klub, weil du ja nur dann
in die Nationalmannschaft berufen
wirst. Es ist sicherlich nicht einfach,
heute in den Kreis der Nationalmann-
schaft zu gelangen. Weil die Auswahl
an guten Spielern viel größer gewor-
den ist und es eine unglaublich starke
Leistungsdichte gibt. Das heißt, du
musst schon ein besonderer Spieler
sein, um berufen zu werden.
Und dann?
Franz Beckenbauer:
Dann wird es
einfacher. Wenn du nämlich einmal
drin bist im Nationalteam und dich
dort halten kannst, ist es etwas
leichter, auf 100 Länderspiele zu kom-
men. Früher war dies kaum möglich,
weil es weniger Länderspiele pro Jahr
gab. In den 60er- und noch in den
70er-Jahren waren zehn und mehr
Länderspiele pro Jahr die Ausnahme.
Inzwischen sind 15 und mehr Be­
gegnungen vor allem in Jahren mit
großen Turnieren die Regel. Ich hatte
das Glück, dass ich während meiner
zwölf Jahre im Nationalteam fast alle
Länderspielemitmachen konnte. Glück
heißt in diesem Fall, dass man ver­
letzungsfrei und damit in Form bleibt.
Deshalb sind einige hochklassige
Nationalspieler wie zum Beispiel
zuletzt Michael Ballack mit 98 oder
früher Karl-Heinz Rummenigge mit
95 Länderspielen kurz vor dem
Hundertsten gestoppt worden?
Franz Beckenbauer:
Genau. Des­
wegen finde ich es bei Philipp Lahm
besonders eindrucksvoll, dass er den
schweren Rückschlag 2005 über-
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...48