CdN Newsletter 16 - page 21

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sorglosen Helmut Rahn auf die Bude,
den „Boss“, eine Stimmungskanone.
„Helmut“, sagte der Chef, „baue Se
mir den Fritz auf“. Also hat der Boss
die Ungarn vor dem WM-Endspiel
1954 tagelang klein geredet – und als
am Mittag auch noch Walters Lieb-
lingswetter einsetzte, kurz: es schiff-
te, tönte der Boss: „Fritz, die putzen
wir weg.“ Der Rest ist bekannt.
Als in jenen Zeiten das Fernsehen
seinen Siegeszug antrat, hat man
auch bald die Zeitlupe erfunden, um
die Welt in den vollen ästhetischen
Genuss dieser Ideengeber, Pelés und
Alleskönner zu bringen, die mit ihrem
peripheren Blick und dem Gefühl für
den Raumauf alle Fragen eine Antwort
hatten, vom aus der Hüfte geschüt-
telten Scherenschlag bis zum töd­
lichen Steilpass oder einem finalen, in
die Dreiangel geschnibbelten Freistoß.
abgedankt. Fritz Walter war 38, und
die meiste Zeit davon hatte er ver-
bracht als die Verkörperung des
klassischen Zehners (auch wenn er
„versehentlich“ immer wieder mal
mit der „8“ auflief), als Stratege,
Ballverteiler und Schütze. „Meister-
haft hat er einem Spiel seinen
Stempel aufgedrückt“, pflegte Sepp
Herberger zu sagen.
In die Heldengalerie des Welt­
fußballs hat es der Pfalzgraf vom
Betzenberg geschafft, obwohl er
das Berufsrisiko vieler Künstler und
Kreativen teilte – er konnte an sich
zweifeln, ja mitunter geradezu ver-
zweifeln unter dem Druck der Ver-
antwortung, die auf einem lastet, er
weiß: Das Team steht und fällt mit
mir. Doch Herberger, der Bundes­
trainer, fand das Rezept: Er legte
seinem grandiosen Grübler den
mehr als ein Spiel im Gras. Fußball,
das war jetzt Pelé.
Pelé war das achte Weltwunder.
Als fußballverrückte Buben haben
wir uns diesen Edson Arantes do
Nascimento fehlerlos auf der Zunge
zergehen lassen. Er war komplett.
Er schlug die besten Haken, die per­
fidesten Freistöße, die filigransten
Pässe, er hantierte beidfüßig und
hielt zum Kopfball die Stirn hin. Als er
am Ende des Tages Weltmeister war,
heulte er an der Brust von Torwart
Gylmar Rotz und Wasser. Und Mutter
B. musste ihrem Buben daheim in
Deutschland eine „10“ auf ein Turn-
leibchen nähen.
Exakt in jenen historisch wertvollen
WM-Tagen anno 1958, als Pelé sich
krönen ließ zum König in der Zentrale
der Offensive, hat sein Vorgänger
MITTELFELD-STRATEGE ZUM EM-TITEL 1972:
DER GLADBACHER GÜNTER NETZER.
UNERMÜDLICHER ANTREIBER:
WOLFGANG OVERATH IM WM-FINALE 1974.
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