CdN Magazin 24 ePaper - page 17

FAST FAMILIÄR GING’S DAMALS ZU: BUNDESTRAINER HELMUT SCHÖN BEI EINER PRESSEKONFERENZ
IM GARTEN DES MANNSCHAFTSQUARTIERS WÄHREND DER WM 1970 IN MEXIKO.
und mitten hinein in den Sturmwirbel
von Real drohte die Regie aus der
Heimat dem Kommentator Rudi
Michel: „Wir müssen womöglich
raus, wegen der Pressekonferenz
von Chrustschow in Paris.“
Der frühe Fußball im Fernsehen war
stets vom Blackout bedroht. Lange
bevor uns die ARD wegen eines
Streits um 6.000 Mark Mehrwert-
steuer die Übertragung des histo­
rischen Büchsenwurf-Thrillers zwi-
schen Gladbach und Inter Mailand
verweigerte, mussten wir schon die
WM 1962 irgendwie überstehen. Live
ging aus Chile nichts, es gab keinen
Satelliten. Die Filmrollen wurden aus
Santiago also mit der Lufthansa
heimgeflogen und die Spiele mit
zweitägiger Verspätung übertragen.
Als Konserve. Wer prophezeit hätte,
dass es eines Tages ein „Public
musste man die Leute erst beiseite
schieben. Und als ich einmal ein­
werfen wollte, saß da ein Opa an der
Linie, der mich mit seinem Krück-
stock am Fuß festhielt.“
Andere Zeiten,
andere Krücken.
Man sah in den Flimmerkisten jener
prähistorischen TV-Phase schumm-
rige Bilder von nicht identifizierbaren
Männchen, die hinter etwas her­
rannten, das als Ball nur schemen-
haft zu erkennen war. Und wenn der
Kalte Krieg tobte, war selbst der tor-
reichste Fußball gefährdet, wie anno
1960 das 7:3 im Europacupfinale der
Landesmeister zwischen Real Madrid
und Eintracht Frankfurt. Während
sich Loy, Lutz und Lindner mannhaft
wehrten, forderten die Sowjets den
Abzug der Alliierten aus Westberlin,
bend – das Gewicht der Schuhe und
die Stollen“. Adi Dassler, der dama­
lige DFB-Zeugwart, schraubte beim
54er-Endspiel, als es wie aus Kübeln
zu regnen begann, seine modernen,
schlanken und hohen Nylonstollen
auf die Stiefel. Die Ungarn hatten nur
ihre genagelten Lederstollen, und
während sich das Gewicht ihrer im
Dauerregen aufgeweichten Schuhe
nach und nach auf drei Pfund ver­
doppelte, wogen die der Deutschen
nur die Hälfte – auf federleichten
Stollen schwebten sie zum Sieg.
Fußball damals, Fußball heute – „da
ist allerhand passiert“, haben wir
Uwe Seeler einmal sagen hören.
Fußball war kein Wattepusten und
nichts für Feiglinge, denn wie sagte
Schalkes unvergessener National-
rechtsaußen Willi Koslowski: „Wenn
man eine Ecke schießen wollte,
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