CdN Magazin 24 ePaper - page 9

SUCHTE IMMER DIE NÄHE UND DAS PERSÖNLICHE GESPRÄCH MIT SEINEN SPIELERN:
HELMUT SCHÖN UND BERTI VOGTS BEI DER VORBEREITUNG AUF EIN LÄNDERSPIEL.
GRABOWSKI:
Was die Zimmer­
belegung betrifft, Berti, so hat er bei
mir 1970 bei der WM in Mexiko die
Konkurrenzsituation bevorzugt und
mich zusammen mit Stan Libuda
wohnen lassen. Auch dabei hat er sich
was gedacht. Und es ist tatsächlich
gut gegangen zwischen uns beiden
Rechtsaußen. Sensationell gut gegan-
gen, obwohl jeder hoffen musste, den
Stammplatz des anderen zu ergat-
tern. Ich war seitdem einer der weni-
gen, denen der Stan auch nach Ende
seiner Laufbahn wirklich vertraut hat.
CDN-MAGAZIN:
In der Endphase
der Schön-Ära waren Sie, Berti,
Kapitän der Nationalmannschaft.
Wie ging der Bundestrainer dabei mit
Ihrer und seiner Führungsrolle um?
geholt hat, waren die Leader, die
Stars in ihren Vereinen. Von daher
war es für ihn kein leichtes, aber
dennoch ein angenehmes Arbeiten,
als Dreh- und Angelpunkt mit der
berühmten Mütze auf dem Kopf alle
diese herausragenden Spieler zu einer
guten Truppe zusammenzufügen.
CDN-MAGAZIN:
Sein Training und
Coaching waren angesichts von
vier Endspiel-Teilnahmen, zwei Titel­
gewinnen und einem dritten Platz
bei den EM- und WM-Turnieren
während seiner Amtszeit über jeden
Zweifel erhaben?
VOGTS:
Er hat im Vorfeld eines
Spiels bei der Einstellung auf den
Gegner die richtigen Worte gefunden.
Und er hat während des Spiels stets
ausgezeichnet reagiert. Sein Kunst-
stück war, aus dem großen Angebot
an Klassespielern die elf Akteure zu-
sammenzubringen, von denen einer
für den anderen läuft und arbeitet.
Daher hat er die Doppelzimmer zu-
meist nicht nach der Vereinszugehö-
rigkeit belegen lassen, sondern nach
den Aufgaben, die sie gemeinsam zu
lösen hatten. Wenn ich zum Beispiel
das Zimmer mit Horst Höttges zu
teilen hatte, wusste ich, wir beide
stehen als Verteidiger in der An-
fangsformation.
ich im Halbfinale gespielt habe, auf
mich verzichtet. Das hätte er mir
auch einen Tag früher sagen können.
CDN-MAGAZIN:
Die großen Titel-
gewinne und Endspiel-Teilnahmen
unter Schön – waren sie vor allem
der Trainings- und Coaching-Qualität des damaligen Bundes­
trainers zuzuschreiben oder eher
dem Zufall, dass während seiner
Amtszeit fünf, sechs Jahrhundert-
spieler gleichzeitig zur Verfügung
standen?
„Dreh- und Angelpunkt mit
der Mütze auf demKopf“
VOGTS:
Ich würde diese Konstel­
lation nicht als Zufall bezeichnen.
Wichtig ist, dass man die Qualitäten
und das Talent dieser Spieler erkennt.
Helmut Schön hat allen diesen Spie-
lern als 18-, 19- oder 20-Jährigen
ihre Chance gegeben. Da war noch
keiner von ihnen ein so genannter
Jahrhundertspieler. Er hatte einen
unheimlich guten Blick für die be­
sondere Begabung eines Spielers.
GRABOWSKI:
Dennoch war es Tat-
sache, dass Helmut Schön ange-
sichts der großen Auswahl an über-
ragenden Spielern aus dem Vollen
schöpfen konnte. Die Spieler, die er
1,2,3,4,5,6,7,8 10,11,12,13,14,15,16,17,18,19,...48
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