CdN Magazin 25 ePaper - page 20

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AUF DEM WEG ZUR EURO 2016
DER FUSSBALL IM WANDEL DER ZEIT
Null-muss-stehen“-Philosophie. Ihr
Ausputzer, dieser Koloss von Rhodos,
hat meinen Bruder hundertmal auf
die Tribüne gedroschen, mit Spitz-
kick, wochenlang lag er danach im
Gipskorsett.
Was ist das für ein Schmerz?
BALL:
Vor allem die inneren Wunden
tun weh. Die Blase ist die Seele des
Balles, und mein Bruder hätte sich
damals am liebsten die Luft rausge-
lassen. Der Elfmeter von Beckham im
Viertelfinale, erinnern Sie sich? Mein
Bruder war jung, hat sich vor Auf­
regung in die Hose gemacht, ist weg-
gerollt – und prompt rutscht Beck-
ham aus und haut daneben. Als Ball
bist du nach sowas so klein, dass dich
Tiger Woods beim Golfen einputten
könnte – und brauchst einen Psycho-
logen, der dich wieder aufpumpt.
So rund – und doch so sensibel?
BALL:
Ein Ball ist auch nur ein
Mensch. Klar, ich wäre gerne eine
Billardkugel aus Elfenbein, ein knall-
harter Golfball oder ein dickhäutiger
Medizinball – die stecken sowas eis-
kalt weg, den Stress, die Strapazen,
die Schmähungen oder die Ängste
jetzt vor der EM 2016.
Aber spüren Sie nicht auch die
Vorfreude auf Teams, die erstmals
dabei sind – wie Albanien?
BALL:
Bloss nicht das A-Wort! Mein
Urgroßvater war der Ball beim 0:0 in
Tirana, dem deutschen Albtraum an-
no ’67, und ist danach als Schweins-
blase jämmerlich vor die Hunde
gegangen, Endstation Klapsmühle.
Schon das WM-Tor 1966 in Wembley
hatte er nie richtig verkraftet – er
wusste, dass er nicht drin war.
„Is gol, is gol!“, hat aber der Linien-
richter Bakhramow gebrüllt ...
BALL:
Unsinn, wer war denn auf
Ballhöhe, mein Urgroßvater oder die-
ser Blinde? Das ist doch Blabla und
Ballaballa. Mein Vater hat sich an den
Engländern dann später gerächt, im
Halbfinale 1996. Aber das wollen wir
nicht vertiefen ...
Spiel kannst du auch als Ball jedes
Groupie haben. Aber das ist vorbei:
keine Puppen, kein Alkohol, keine
Zigaretten. Papa passt schon auf,
dass ich nicht abhebe.
Themawechsel: Was ist Glück?
BALL:
Ich will es mal so sagen:
Papa hatte das unfassbare Glück,
dass ihn Kaiser Franz damals im
ZDF-Sportstudio von einem vollen
Bierglas herunter ins Loch der Tor-
wand schnibbelte – und mein größtes
Glück war, dass ich für die EM 2004
noch zu jung war. Der Unglückliche
war dafür dann mein großer Bruder.
Er war in Topform, alles bestens,
Aerodynamik, Atü, technisch per­
fekte Flugbahn – aber dann kommen
die Griechen daher mit ihrer „Die-
1972 in Wembley, gegen die Eng-
länder, im Viertelfinale?
BALL:
Gordon Banks war dran, aber
Opa ist ihm im letzten Moment über
die Hand gesprungen. Opa mochte
Netzer, bei dem war er als Ball noch
König, die zwei verstanden sich
blind. Manchmal sagt Großvater:
Bub, so wie die heute oft mit Dir
umspringen – da hätte ich mir früher
die Luft rausgelassen.
Aber erlebt man nicht auch rau-
schende Ballnächte?
BALL:
(lacht) Mit Wein, Weib und
Gesang? Sie spielen vermutlich auf
das feuchtfröhliche Finalbankett
2012 nach dem 4:0 der Spanier gegen
Italien an – klar, nach einem solchen
MARIO GOMEZ UND DER BALL: BEI DER EURO 2016 IN FRANKREICH
WOLLEN SIE EIN ERFOLGSGESPANN WERDEN.
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