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VOR 40 JAHREN
DIE DDR BEI DER WM 1974
Mit lauter Musik und vielstimmigem Gesang rollte der Bus mit der DDR-Nationalmannschaft
zum Hamburger Stadion. Kein Wunder, denn vor dem innerdeutschen Duell mit der BRD
stand der Einzug in die zweite Finalrunde der Weltmeisterschaft 1974 bereits fest, war das
angestrebte und von der DDR-Sportführung geforderte Ziel erreicht. Jürgen Nöldner, früherer
DDR-Auswahlspieler und später Leiter der Berliner Redaktion des kicker, über zwei Haupt­
darsteller beim größten Sieg der DDR-Auswahl.
Das „Wunder von Hamburg“ mit dem
1:0-Sieg gegen den späteren Welt-
meister war eine unerwartete Zu­
gabe. „Das hat die Mannschaft von
Helmut Schön wohl auch wachge­
rüttelt und ließ ihr auch das Glück
zuteil werden, den Holländern in der
zweiten Runde aus dem Weg zu ge-
hen. Wer weiß, wie diese WM sonst
ausgegangen wäre“, sagt noch heute
der damalige DDR-Kapitän Bernd
Bransch.
Besonders in Erinnerung geblieben
ist darüber hinaus bis heute die be-
rühmte 77. Minute von Hamburg. Auf
eine Kurzformel gebracht, lautet sie:
Abwurf Croy – Pass Hamann – Tor
Sparwasser. „Das war alles andere
als eine Zufalls-Produktion. Im Trai-
ning hatten wir dies unter Georg
Buschner immer wieder bis zum
Überdruss geübt. Und keiner hatte
ahnen können, dass es sich einmal
so auszahlen würde“, erzählt der
heute 69-jährige Erich Hamann.
Soeben ist er von einem mehr als
einjährigen Aufenthalt in Vietnam
zurückgekehrt, wo er in Hanoi
ein Fußball-Leistungszentrum für
Jugendliche aufgebaut hat.
Bis zu jener 77. Minute stand Hamann
in der DDR-Elf nur in der „zweiten
Reihe“. Zwar hatte der gebürtige
Pasewalker fünf Jahre zuvor gegen
Chile sein Auswahl-Debüt unter dem
damaligen Trainer Harald Seeger
gegeben, doch erst ein Jahr vor der
WM 1974 rückte er auch in Busch-
ners Blickpunkt. „Ich hatte als Libero
beim FV Vorwärts Frankfurt in der
Saison die Punktewertung der Fuß-
ball-Woche nach den 26 Meister-
schaftsspielen gewonnen, also hatte
ich einen guten Lauf.“ Buschner über-
trug ihm die Rolle des Doubles für
Abwehrchef Bernd Bransch. „Auf
dieser Position habe ich mir aber
keine große Chance ausgerechnet,
da Bransch Kapitän war und sich
höchstens mit abgehacktem Kopf
hätte auswechseln lassen“, so
Hamann. Gegen das DFB-Team
schlugen dann jedoch seine Minuten
im Mittelfeld.
„Der Pass zumSiegtor stand
nicht inmeiner Auftragsliste“
„Der Trainer wollte wohl allmählich
das Unentschieden nach Hause brin-
gen, deshalb sollte ich anstelle des
zu offensiven Harald Irmscher die
rechte Seite absichern. Der Pass zum
Siegtor stand also eigentlich gar
nicht in meiner Auftragsliste.“ Die
Belohnung folgte für Hamann mit der
Nominierung für das nächste Spiel
gegen Brasilien. Doch sein Auftritt
Hamann, Sparwasser
und die 77. Minute
von Hamburg
Vor 40 Jahren:
Traumpass und Traumtor bei der einzigen WM-Teilnahme der DDR
PASSGEBER UND SCHÜTZE:
ERICH HAMANN UND JÜRGEN SPAR-
WASSER, DIE PROTAGONISTEN DES
HAMBURGER ERFOLGS.
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