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AKTUELL IM BLICKPUNKT
FUSSBALL-WM IN BRASILIEN
Deutschlands erster WM-Titel: das „Wunder von Bern“. Magie und Mythos. Horst Eckel (82)
und Hans Schäfer (86), die letzten beiden noch lebenden „Helden von Bern“ blicken 60 Jahre
danach gemeinsam noch einmal zurück und ordnen ein: die Dimension des Triumphs von 1954
und sein Drumherum, Herbergers unantastbaren Führungsstil und Fritz Walters Ausnahme-
stellung, die Expansion des Fußballs und seine heutigen Begleiterscheinungen.
Hans Schäfer und Horst Eckel über das „Wunder von Bern“ und seine Folgen
CDN-MAGAZIN:
Aus Anlass des
60. Jahrestags des WM-Gewinns von
1954 werden Sie derzeit mit Ein­
ladungen geradezu überhäuft. Wie
erklären Sie sich, Herr Schäfer und
Herr Eckel, den nach wie vor hohen
Stellen- und Erinnerungswert in der
Öffentlichkeit an den sensationellen
Triumph beim „Wunder von Bern“?
ECKEL:
Es war ja der erste WM-Gewinn für Deutschland. Das erste
Mal bleibt immer unvergessen. Vor
allem auch wegen und in der da­
maligen Situation. Wir waren doch
am Boden zerstört. Sportlich und
wirtschaftlich. In dieser Lage be-
wirkte dieser Titelgewinn ein Wir-
Gefühl im ganzen Land, das einmalig
bleiben wird.
SCHÄFER:
Deutschland war durch
unseren Erfolg wieder positiv in Er-
scheinung getreten. Das war wichtig,
der Krieg war ja erst neun Jahre vor-
bei. So haben wir auch das Deutsch-
land-Bild im Ausland verbessert.
Und auch dem Selbstwertgefühl der
Deutschen hat dieser Titelgewinn
sehr gut getan.
CDN-MAGAZIN:
Rudi Völler hat
mal gesagt: „Wer Deutscher Meister
war, das muss man immer wieder im
Almanach nachschauen. Weltmeis-
ter ist man dagegen für immer.“
SCHÄFER:
Wer Weltmeister wurde,
das behält jeder im Kopf. Etwas
Größeres gibt es nicht.
ECKEL:
Ganz besonders trifft Rudis
Aussage auf den Titelgewinn 1954
zu. Damals hieß es nicht, Deutsch-
land oder die Nationalelf ist Welt-
meister. Es hieß ganz einfach, wir
sind Weltmeister.
SCHÄFER:
Als Weltmeister ist man
wer. Das ist einfach so. Diese WM war
und ist einfach in allen Köpfen, weil
sie so einmalig war. Weil sie in dieser
Zeit passierte und keiner das erwar-
tet hatte. Selbst, wenn ich noch mal
Weltmeister geworden wäre, hätte
der Sieg von Bern alles überstrahlt.
CDN-MAGAZIN:
Max Morlock hat
mal gesagt: „Nicht das Finale gegen
Ungarn war unser schwierigstes
WM-Spiel, sondern das Viertelfinale
gegen Jugoslawien.“ Sehen Sie das
auch so?
SCHÄFER:
Da hat der Max recht.
Dieses Spiel hätten wir 5:1 verlieren
müssen. So viel Glück kann man ja
gar nicht haben, das begreife ich
heute noch nicht. Die Jugoslawen
haben uns an die Wand gespielt,
Pfosten und Latte getroffen. Toni
Turek hat super gehalten. Ich erinne-
re mich noch, wie Tschik Cajkovski,
der überragende Außenläufer der
Jugos, nach dem Spiel vor der Kabine
stand und seine Stürmer nicht rein-
lassen wollte, der hatte einen knall-
roten Kopf, so wütend war der.
ECKEL:
Der Sieg gegen Jugosla­
wien war in der Tat der Knackpunkt.
Die waren fast so stark wie Ungarn.
Bei der Anreise hatten wir noch keine
richtige Vorstellung, wie stark wir
überhaupt sind. Nach diesem Sieg
wussten wir aber, dass wir ein Wort
mitreden könnten.
„Es herrschte dieses
einmalige Wir-Gefühl“
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