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AKTUELL IM BLICKPUNKT
FUSSBALL-WM IN BRASILIEN
Diese Szene in der 85. Minute im Aztekenstadion von Mexico City wird ihn wohl verfolgen bis
an das Ende seiner Tage. Jene Szene im Endspiel der WM 1986, als Burruchaga mit einem
Anspiel von Maradona allein davonzog, Hans-Peter Briegel hinterrannte, den argentinischen
Stürmer aber nicht mehr einholen konnte, sodass dieser unbedrängt zum 3:2-Sieg einschoss
und Argentinien zum Weltmeister kürte. Klar, dass der Pfälzer dieses spezielle Ereignis
endlich aus seinem Gedächtnis streichen möchte. „Doch ich werde immer wieder danach
gefragt, bekomme es vor jeder WM aufs Neue vorgeführt, weil es halt das entscheidende Tor
bei dieser WM war“, sagt Briegel.
Raus mit Applaus:
Hans-Peter Briegel und sein Abschluss als Nationalspieler bei der WM 1986
Keiner hatte ihm damals einen Vor-
wurf gemacht, weil es in dieser
Minute das kollektive Versagen der
Mannschaft war, die erst 0:2 im Rück-
stand lag, dann auf 2:2 aufholte, nun-
mehr mit totaler Offensive auf Sieg
spielte und dabei zu weit aufgerückt
war. Sein direkter Gegenspieler war
Burruchaga ohnehin nicht gewesen.
„15 Meter musste ich gegen ihn auf-
holen, als er losstürmte. Es hat leider
nicht mehr ganz gereicht“, erinnert
sich Briegel, der einstige erfolgreiche
Zehnkämpfer. Was blieb, war diese
bittere Bilanz: „Wie 1982 wieder im
Finale – und wie 1982 wieder ver­
loren. Jetzt ist Schluss für mich in
der Nationalmannschaft.“
Der Rücktritt, er stand für den da-
mals in Italien beschäftigten Profi
schon vor dem Finale fest. „Ich war
fast 31 und der Meinung, dass es
gereicht hat. In Italien war ich von
Hellas Verona in jenem Sommer zu
Sampdoria Genua gewechselt und
wollte mich nunmehr ganz auf diese
neue Aufgabe konzentrieren. Auch
heute finde ich es immer noch gut,
wenn jemand von sich aus aufhört
und sich nicht hinauskomplimen­
tieren lässt“, erklärt er, der für jeden
seiner Arbeitgeber wie ein Geschenk
des Himmels war.
So gab die „Walz aus der Pfalz“ an
diesem 29. Juni 1986 in der Höhe
und der Mittagshitze von Mexico City
noch mal alles, was in seinem athle­
tischen Körper steckte. Obwohl sein
kraftvolles Spiel während der vor-
ausgegangenen WM-Partien und der
bis dahin absolvierten 85 Minuten die
vorhandene Substanz schon aufge-
zehrt zu haben schienen, steigerte
sich der Defensivspezialist auch in
jener ominösen Szene noch einmal
in eine mitreißende Vorbildfunktion
hinein. Er machte sich auf die Ver­
folgungsjagd. Vergeblich! Deutsch-
land oder: Aus mit Applaus.
„Ich habe noch mal alles gegeben,
gerade weil ich wusste, es würde
mein letztes Länderspiel sein. Die
Hitze war entsetzlich, weil die Sonne
senkrecht ins Stadion hineinbrannte,
als das Finale um 12 Uhr angepfiffen
wurde. Am frühen Morgen hatte ich
die Vitamininfusion, die mir intra­
Als letzter Akt
ein Bier mit Maradona
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