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AKTUELL IM BLICKPUNKT
FUSSBALL-WM IN BRASILIEN
Auto leisten. Am Bahnhof haben wir
uns ins Taxi gesetzt und sind raus
nach Grünwald gefahren. Mit dem
Kassierer des DFB haben wir dann
die Abrechnung gemacht. Herberger
kam zufällig dazu und fragte: „Was
macht Ihr denn da?“ Und wir: „Wir
rechnen unser Fahrtgeld ab.“ „Was
denn für Fahrtgeld?“ „Zug und Taxi.“
„Wieso Taxi?“ fragte er und sagte
dann nur ein einziges Wort: „Straßen-
bahn“. Das Taxigeld haben wir nicht
wiederbekommen. So war Herberger.
CDN-MAGAZIN:
Zurück zum Tur-
nier in der Schweiz. Österreich wurde
glanzvoll besiegt, dann kam das
große Finale. Hatten Sie so etwas
wie Ehrfurcht vor den Ungarn oder
gar Angst vor einer erneuten Blamage?
SCHÄFER:
Wir hatten Respekt, aber
das sollte man vor jedem Gegner
haben. Aber Ehrfurcht und Angst, so
etwas gibt es im Fußball nicht. Pus-
kas, Koscis oder Hidegkuti, das waren
doch ganz normale Menschen, nicht
anders als heute Messi oder Ronaldo.
ECKEL:
Daher gab es bei uns nur
eine Parole: Jetzt sind wir im Endspiel,
jetzt wollen wir alles versuchen, um
auch Weltmeister zu werden.
CDN-MAGAZIN:
Nach acht Minuten
stand es aber schon 0:2.
SCHÄFER:
Aber für mich stand es
weiter 0:0. Ungarn war die Über-
mannschaft. Wenn wir angefangen
hätten, uns wegen zwei Gegentoren
verrückt zu machen, hätten wir keine
Chance gehabt. Die hatten vier Jahre
kein Spiel verloren.
ECKEL:
Das ging so schnell, da kam
man nicht zum Nachdenken. Wir
haben uns angeschaut und jeder
wusste, was jetzt kommen musste.
Da ist ein Ruck durch die Mannschaft
gegangen. Von hinten nach vorne
und umgekehrt. Dann ist es ja schnell
passiert mit dem wichtigen Tor von
Max Morlock. Nach dem 2:2 durch
Helmut Rahn waren wir wieder dabei.
CDN-MAGAZIN:
Und dann kam
sie ja die 84. Minute, als Sie, Herr
Schäfer, in die Mitte flankten …
CDN-MAGAZIN:
Und wie war Ihr
Verhältnis zum Bundestrainer?
SCHÄFER:
Erstklassig, einwandfrei.
Er hat mich ja nicht umsonst zu drei
Weltmeisterschaften mitgenommen,
zuletzt 1962, als wir gerade mit dem
1. FC Köln Deutscher Meister gewor-
den waren. Ich wollte eigentlich
nicht mehr, aber Herberger hat mich
dann überzeugt. Deshalb bin ich mit
nach Chile gefahren.
CDN-MAGAZIN:
Zu Ihrer dritten
WM und wie 1958 als Kapitän. Wie
hat Herberger Sie nach dreijähriger
Länderspielpause überredet?
SCHÄFER:
Eines Morgens stand der
Herberger an meinem Bett, wirklich
wahr. Ich wache auf, schaue ihn an
und sage: „Chef, was machen Sie
denn hier?“ „Ich will dich holen.“
„Wie, holen?“ „Zur Nationalmann-
schaft, morgen geht es los.“ Ein
Länderspiel habe ich vor Chile noch
gemacht, dann ging es zur WM.
CDN-MAGAZIN:
War Herberger
Ihr wichtigster Trainer?
ECKEL:
Absolut! Aber auch Richard
Schneider, unser Trainer beim FCK,
hat mir sehr geholfen. Und dann war
an meiner Seite zudem immer Fritz
Walter. Ich wusste ganz genau, wie
sehr ich ihn brauchte. Ohne ihn wäre
ich gar nicht so schnell nach oben
gekommen. Fritz Walter war für mich
der wichtigste Begleiter meiner
Fußballkarriere. Vielleicht wusste
der Fritz aber auch, was er anmir hatte.
SCHÄFER:
Für mich waren Herber-
ger und Hennes Weisweiler die wich-
tigsten. Herberger war für uns Spie-
ler wie ein kleiner Gott. Er war einfach
eine Persönlichkeit, unantastbar und
unnachahmlich. Es gab keinen Wider-
spruch, nicht den geringsten.
CDN-MAGAZIN:
Nennen Sie doch
mal ein Beispiel.
SCHÄFER:
Der Abschlusslehrgang
vor der WM 1954. Im Zug bin ich mit
Paul Mebus von Köln nach München
gefahren. Von 320 Mark brutto im
Monat konnte sich kein Mensch ein
Walter hat er mit dem selbstbewuss-
ten Helmut Rahn zusammengelegt.
Oder Hans Schäfer mit Horst Eckel.
Wie kam es dazu?
SCHÄFER:
Das weiß ich im Detail
gar nicht mehr. Aber der Horst und
ich waren Freunde, deshalb lag das
nahe. Wir haben auch später immer
zusammengewohnt. Das passte ein-
fach. Wir hätten aber auch nicht
widersprochen, wenn der „Chef“ es
anders entschieden hätte. Denn dann
hätten wir wahrscheinlich gleich die
Koffer packen können. (lacht)
CDN-MAGAZIN:
Fritz Walter galt
auf und neben dem Spielfeld als Füh-
rungspersönlichkeit der Mannschaft.
Was machte ihn so besonders?
ECKEL:
Er war die rechte Hand von
Herberger. Mit ihm, nicht mit der
Mannschaft, hat der Chef alles
besprochen. Fritz Walter hat das
dann weitergegeben an uns. Klar, er
war unser Spielführer, die große Per­
sönlichkeit in unserer Mannschaft,
strahlte eine natürliche Autorität
aus und zugleich eine sympathische
Bescheidenheit. In Verbindung mit
seinem überragenden Können als
Fußballer.
SCHÄFER:
Ich habe in der Tat nie
einen so guten Fußballer gesehen,
der zugleich so bescheiden war. Von
seiner Sonderstellung hat er nie
Gebrauch gemacht. Herausgehoben
hat er sich nur auf dem Platz, er war
ein Vorbild als Mitspieler, hat sich
immer für andere eingesetzt. An ihn
kam bei uns keiner heran. Und er war
ein sehr sensibler Mensch.
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