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AKTUELL IM BLICKPUNKT
FUSSBALL-WM IN BRASILIEN
sehr weiches Herz. Damit konnte er
uns nicht in jedem Moment mitreißen
und in Malente schon gar nicht.
Ich habe ihn nie böse gesehen, aber
das muss man manchmal als Trainer
sein, um von den Spielern gehört zu
werden. Auch bei uns waren 1974
Sauhunde dabei.“
Die Spieler waren nun in der Pflicht,
mehr zu zeigen als in den drei Vor
rundenbegegnungen. Tatsächlich
überzeugten sie erstmals bei diesem
Turnier. 2:0 gewannen sie gegen
Jugoslawien das erste Hauptrunden-
spiel in Düsseldorf nach Toren von
Breitner und Müller, 4:2 nach weiter
verbesserten Leistungen gegen
Schweden durch die Tore von Ove-
rath, Bonhof, Grabowski und Hoeneß
per Elfmeter. „Nach diesem Spiel“,
sagt Maier, „hatten wir wieder Moral
und Selbstvertrauen.“
Das war auch nötig in der „Wasser-
schlacht von Frankfurt“, als es gegen
die ebenfalls zweimal siegreichen,
ungemein spielstarken Polen um die
Endspielteilnahme ging. Gerd Müller
entschied mit seinem Tor zum
1:0-Sieg eine Viertelstunde vor dem
Abpfiff eine Begegnung, die wegen
der Regenmassen erst mit 40 Minu-
ten Verspätung angepfiffen werden
sieger mit Weltgrößen wie Brasi-
lien (0:1), Holland (1:2) und Argen
tinien (1:1) messen, sich achtbar
schlagen durfte, aber danach heim-
reisen musste.
„Die Niederlage gegen die DDR war
genau richtig“, sagt Maier heute über
die deutsche Zäsur bei dieser WM,
„sie löste den Krampf in unserer
Mannschaft auf. Es hatte sich soviel
Aggressivität bei uns aufgestaut,
dass danach jeder jedem das eine
oder andere an den Kopf schmiss.
Wir haben uns dabei super zusam-
mengerauft und sind von da an richtig
zusammengewachsen.“
Zur „Nacht von Malente“ gehörte
auch die Kritik am Bundestrainer und
dessen bisherigen Aufstellungen.
Lange redeten die Anführer des
Teams auf ihren Chef ein, es zum
nächsten Spiel gegen Jugoslawien
doch einmal vom Anpfiff an mit dem
jungen Gladbacher Rainer Bonhof
und dessen Borussen-Kollegen Her-
bert Wimmer im defensiven Mittel-
feld, dem Frankfurter Schlitzohr
Bernd Hölzenbein als Flügelstürmer
und dem Düsseldorfer Bernd Herzog
als dessen Pendant zu versuchen.
„Helmut Schön“, sagt Maier, „war ein
wunderbarer Mensch und hatte ein
an, „jetzt muss ich Dich leider mal
festhalten“, und der Jenenser Konrad
Weise fragte Gerd Müller nach einem
der wenigen Fouls höflich, „habe ich
Dir weh getan?“
Sepp Maier, der die WM-Turniere
1966 (damals als Ersatzmann), 1970,
1974 und 1978 (jeweils als Stamm-
kraft) miterlebte, kam dieses Bru
derduell, das zum Kampf der Sys
teme hochgeschaukelt worden war,
unwirklich vor. „Die Kollegen von
„drüben“ wollten wohl mit uns reden,
aber sie durften es nicht wirklich.
Du hattest das Gefühl, wie gegen eine
kalte Wand spielen zu müssen.“ Die
politische Dimension dieses deut-
schen Zweikampfs auf der Weltbühne
Fußball hat Maier damals in der
Abgeschiedenheit von Malente nur
am Rande wahrgenommen. „Den
Klassenfeind hatten wir gar nicht
nötig gehabt.“
Dazu war Schöns Aufgebot viel zu
sehr mit sich selbst beschäftigt –
und später sogar froh über die Bla-
mage im deutschen Prestigekampf.
Sie bescherte dem Team als Zweitem
seiner Gruppe die vermeintlich leich-
teren Aufgaben gegen Jugoslawien,
Schweden und Polen, während die
DDR-Mannschaft sich als Gruppen-
ABGESCHIRMT IN DAMALS SPARTANISCHEN VERHÄLTNISSEN:
SEPP MAIER, WOLFGANG KLEFF UND GERD MÜLLER BEIM TRAINING IN MALENTE.