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AKTUELL IM BLICKPUNKT
FUSSBALL-WM IN BRASILIEN
Der Kaffee ist gemacht, die Karaffe Wasser steht bereit und dazu die Schnupftabakdose, aus der
sich SeppMaier immer mal wieder eine Prise gönnt. So konzentriert wie der erfolgreichste Torwart
der deutschen Fußballgeschichte sich früher auf seine 95 A-Länderspiele und 473 Bundesliga­
einsätze für den FC Bayern München vorbereitet hatte, so umsichtig hat der 70-Jährige in
seinem Haus in Hohenlinden östlich von München vorgesorgt für das Gespräch mit Roland
Zorn, dem langjährigen früheren Fußballchef der FAZ, über seine Erinnerungen an die WM 1974.
Vor 40 Jahren:
Seriensieger Sepp Maier und die denkwürdigen Hürden beim WM-Gewinn 1974
Sepp Maier, zu seiner Zeit neben
Franz Beckenbauer und Gerd Müller
eine Ikone des FC Bayern und der
Nationalmannschaft – 40 Jahre nach
dem Gewinn des zweiten deutschen
Weltmeistertitels ist er gefragt, aus
dem Innenleben einer Mannschaft zu
erzählen, die bei diesem ersten WM-
Turnier in Deutschland zunächst
große Mühen hatte, ihre Favoriten­
rolle glaubhaft zu spielen, und erst
nach dem unverhofften Schock­
erlebnis einer 0:1-Niederlage gegen
die andere deutsche Mannschaft aus
der DDR zu sich und ihrem Selbst­
bewusstsein zurückfand. Am Ende
stand der schwer erkämpfte zweite
Weltmeistertitel der deutschen Fuß-
ballgeschichte, vollendet durch einen
2:1-Sieg über die Niederlande.
„Es lastete ein großer Druck aus dem
eigenen Land auf uns“, sagt Maier
beim Blick zurück auf die ersten Tage
jenes Fußballfestes, „und darum
wirkten wir zunächst auch so ver-
krampft. Die Erwartungen, dass wir
am Ende den Titel holen, waren
auch deshalb so hoch, weil wir 1972
in überragender Manier Europa­
meister geworden waren und davor
zwei Superturniere als Dritter der
WM 1970 und Zweiter der WM 1966
gespielt hatten.“
Alle Hochrechnungen halfen dem
Aufgebot von Bundestrainer Helmut
Schön jedoch nicht mehr viel weiter,
als es galt, schon in der ersten Grup-
penphase zu glänzen. Dass es hierfür
an elementaren Voraussetzungen
gefehlt habe, erklärt der noch immer
ranke, fröhliche und im Wortsinn
muntere 70-Jährige auch mit dem
Hinweis auf das Reizwort Malente.
In dieser damals noch sehr spartani-
schen Sportschule des Schleswig-
Holsteinischen Fußballverbandes
fühlten sich die dort seit dem 29. Mai
versammelten Spieler zusehends
unwohl.
Es war die Zeit des RAF-Terrors, und
die Olympischen Spiele von München
mit dem tödlichen Attentat auf die
israelische Mannschaft lagen nur
zwei Jahre zurück. Entsprechend
abgeschirmt verbrachte auch die
Fußball-Nationalmannschaft der
Bundesrepublik Deutschland ihre
monotonen Tage im Norden. „Wir
fühlten uns wie eingesperrt ange-
sichts der Polizisten, die ja zu unse-
rem Schutz da waren und vor der
Über Berg und Tal zu
„meinem schönsten Titel“
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