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dieses Land nicht die Nerven. Keinen
Killerinstinkt wie die Deutschen, wah-
re Bärentöter in freier Wildbahn wie
auf dem Rasen.“ Elfmetertöter auf der
Linie und treffsicher beim Goldenen
Schuss vom Punkt. Überhaupt haben
sich dieDichter undDenker demThema
immer gerne genähert, und seit Peter
Handke wissen wir über die Angst des
Torwarts beim Elfmeter alles.
Grässlicher ist aber die Angst des
Schützen. Denn für den wird der Tor-
wart immer größer und das Tor im-
mer kleiner, und am Ende erstarrt
das Kaninchen vor der Schlange.
Als drei Verzweifelte aus Valencia im
Finale der Champions League 2001
an Olli Kahn scheiterten, kam kurz
danach ein Werbespot heraus, in dem
ein Elfmeterschütze, als er den
Bayerntorwart vor sich sieht, mitten
im Anlauf umdreht und flüchtet.
Das ist der Ausnahmezustand, und
Bastian Schweinsteiger hat die Qual
einmal so geschildert: „Ich hab’ beim
Anlauf fast die Eier verloren.“
Umso schöner ist es, wenn am Ende
nur noch die Seele baumelt – und
Thomas Müller dieses typische deut-
sche Glücksgefühl vor der Kamera
gelegentlich mit den augenzwinkern-
den Worten bedenkt: „Der Elfmeter
ist mir gut von der Hand gegangen.“
Oskar Beck
WM-Halbfinales 1954 nicht lähmen
lassen und den Österreichern beim
6:1 in Basel einen links und einen
rechts eingeschenkt, basta.
Die Schattenseite? Bringen wir sie
blitzschnell hinter uns. Ulli Stielike
war von den oben erwähnten 18 WM-
Schützen jener einzige, der scheiterte.
Anno 1982 im Halbfinale, dem letzt
endlich aber doch wunderbaren „Dra-
ma von Sevilla“ gegen Frankreich.
Und Uli Hoeneß hat im EM-Finale
1976 gegen die Tschechoslowakei
den Ball an den Flutlichtmasten
vorbei über das Belgrader Stadion
hinaus auf die Autobahn Richtung
Albanien geknallt, wo sie ihn heute
noch suchen. „Ich war wie in Trance“,
verriet Hoeneß, „und der Ball stieg
und stieg.“ Wie sein Blutdruck. Es
war das einzige Elfmeterschießen,
das Deutschland bei einem großen
Turnier je verloren hat.
Was aber zählt, ist die WM, und da ist
immer alles gut ausgegangen, auch
1986 beim Elfmeterschießen im Vier-
telfinale (man kann rückwirkend die
Mexikaner dazu befragen). Zündend
beschrieben hat diese Zuverlässigkeit
der Schweizer Schriftsteller Max
Dohner. Als dessen Eidgenossen bei
der WM 2006 gegen die Ukraine alle
verfügbaren Elfmeter verballert
hatten, notierte er kopfschüttelnd:
„In entscheidenden Minuten hat
erzählen, und wie er sich noch rück-
wirkend patschnass im Bett wälzt
angesichts des Elfmetertöters Goy-
coechea, der vor ihm immer größer
wurde, und das argentinische Tor
immer kleiner. Doch wenn Brehme,
der coole Hanseat, heute gefragt
wird, sagt er stattdessen nur: „Einer
musste ja schießen. Der Lothar wollte
nicht. Also bin ich halt hin.“
Richard von Weizsäcker höchst
persönlich hat ihn für die Courage
bewundert, in Bonn, wo der Bundes-
präsident den Helden später den
Silberlorbeer umhängte. „Er hat er-
zählt, wie er gezittert hat beim Elf-
meter“, erinnert sich Brehme, der
selbst gar nicht gezittert hat, als er
das Ding reintat – rechter Fuß, Innen-
rist, unten links, messerscharf, milli-
metergenau. Seine Endspielstiefel
sind übrigens im Museum gelandet.
„Vergoldet?“, wollten wir wissen.
„Vergoldet?“, fragte Brehme ent
geistert zurück, „wieso das denn?“
Das ist diese kühle Selbstverständ-
lichkeit, die auch die „Mail on Sunday“
in London meinte, als sie einen trocken
verwandelten Strafstoß von Michael
Ballack einmal mit dem Wandspruch
adelte: „Ein Deutscher. Ein Elfmeter.
Eine Formalität.“ Selbst Fritz Walter,
unser zuweilen etwas sensibler
Pfälzer, hat sich auf dem Weg zum
„Wunder von Bern“ vom Stress des
... ENDE GUT, ALLES GUT: HORST HRUBESCH
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„DRAMA VON SEVILLA“: ULLI STIELIKE SCHEITERT
AM FRANZÖSISCHEN SCHLUSSMANN JEAN-LUC ETTORI ...