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RÜCKBLENDE
DIE MEDIENWELT VOR 40 JAHREN
Nicht alles war früher besser. Vieles aber anders. In den 70er- und 80er-Jahren war zum
Beispiel der Umgang zwischen den Journalisten und den Fußballern, darunter auch den Stars
der Nationalmannschaft, noch fast familiär. Selbst der heutige DFB-Präsident Wolfgang
Niersbach hat während seiner damaligen Zeit als Reporter beim Sport-Informationsdienst
teilgenommen an jenem hautnahen Miteinander. Wie auch der preisgekrönte Sportfeuilletonist
Oskar Beck, der sich in seinem ganz persönlichen Rückblick auf jene Ära unter anderem
daran erinnert, wie er während der WM 1978 bei Klaus Fischer anklopfte und sich dessen Tür
zu einem nächtlichen Gedankenaustausch öffnete.
Als Nationalspieler und Journalisten ein enges Mit- und Beieinander pflegten
Als Prinz Philipp einmal auf Staats-
besuch in Afrika war, sagte er ange-
sichts des wilden Medienauftriebs
stöhnend zu einem Tropenarzt: „Sie
haben Ihre Moskitos, ich habe die
Presse.“ So fühlen sich vermutlich
auch Joachim Löw und seine Welt-
meister. Überall surrt es, aber das
sind nicht die Moskitos – was da
summt und brummt, sind die Kame-
ras und die Journalisten, die mit an-
gewinkelten Ellbogen einander die
Köpfe einschlagen für einen Sitzplatz
bei der Pressekonferenz. Vorsichtig
geschätzt sind jedes Mal ungefähr
44 Kameras und 256 Reporter da,
und Franz Beckenbauer hat einmal
fassungslos in diese Runde gestarrt
und gesagt: „Wie die Welt sich ver­
ändert hat.“
Nein, das ist nicht mehr die Welt von
vor 40 Jahren, als der junge „Kaiser“
noch dunkelhaarig vor einer Handvoll
Reporter saß, um ihnen bei der WM
1974 das 0:1 gegen die DDR zu er­
klären. Beckenbauer: „Fünf Journa-
listen waren’s, im Hinterzimmer einer
Gaststätte in Malente haben wir
denen mitgeteilt, was für einen Mist
wir gespielt haben.“
Früher war nicht alles besser. Aber
vieles war anders. Vor allem der
Journalismus.
Pompös ist er geworden. Die National-
mannschaft ist im Medienzirkus vom
Wahnsinn umzingelt. Täglich findet
eine Pressekonferenz statt, und Jens
Grittner, Pressesprecher der National­
mannschaft, präsentiert auf der Bühne
drei ausgewählte Protagonisten, den
Spieler X, den Co-Trainer Y oder den
Betreuer Z. Die werden dann aus allen
Himmelsrichtungen mit Fragen ge­
löchert, und anschließend hasten die
Journalisten im Pulk davon und hacken
weitgehend identische Personalge-
schichten über X, Y und Z in den Laptop.
In den Genuss von Einzelgesprächen,
exklusiv und persönlich, kommen in
der Regel nur noch die akkreditierten
TV-Sender und die großen Blätter.
Als Journalist gibt man an dieser
Stelle gerne zu, dass man noch von
gestern ist. In den eingangs erwähn-
ten beckenbauerschen 70ern war so
ein Interview nämlich ein Kinderspiel
gewesen – spontan und leicht, ganz
unproblematisch. Bei der WM 1978 in
Argentinien hausten wir Journalisten
mit den Spielern unter einem Dach, in
einem Golfklub der Militärjunta, und
wenn ich von Torjäger Klaus Fischer
lange nach Sonnenuntergang für
einen Text noch rasch einen zün­
denden O-Ton benötigte, spazierte
„So spät noch wach?“
„Hereinspaziert!“
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