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Beckens, direkt an der Wirbelsäule,
in seinen Rücken gebohrt und war im
Fleisch wieder zugeschnappt.
„Ich hatte überhaupt keine Schmer-
zen“, erinnert sich Jakobs, „vermutlich
als Folge des erhöhten Adrenalinaus
stoßes, und habe alles mitbekom-
men, was passierte.“ Verzweifelt ver-
suchte Rieger, den Karabinerhaken
aus dem Fleisch zu ziehen – ohne
Erfolg. Minute um Minute verstrich,
im Stadion war es längst mucks-
mäuschenstill geworden.
Gedankenspiele, die Stange, an der
der Karabinerhaken hing, mit einer
Flex zu durchtrennen, durchkreuzte
Jakobs aus Angst, die Funken könn-
ten sein Trikot entzünden. Schließ-
lich fasste Fielker den Entschluss
zu einer kleinen Operation mit dem
Skalpell. „Er setzte einen Schnitt
quer über den Rücken und durch-
trennte den Muskel“, erzählte Rieger
weiter. „Sofort floss das Blut, aber
wir konnten den Karabinerhaken
herausholen.“
HSV-Tor, gleich wird als neuer Spiel-
stand „0:1“ auf der Anzeigetafel
aufleuchten. Oder etwa doch nicht?
Ditmar Jakobs gibt sich noch nicht
geschlagen. Legt seine ganze Kraft in
den Sprint Richtung eigenes Tor, er-
wischt den Ball tatsächlich kurz vor
der Linie und schlägt ihn zur Seite.
Frenetisch feiern die Zuschauer
die sensationelle Rettungstat ihres
„Jako“, doch die Szene läuft weiter:
Auf dem Rücken liegend rutscht
Jakobs ungebremst ins Tor, verfängt
sich im Netz und bleibt liegen. „Uns
wurde sofort signalisiert, dass wir
kommen sollten“, erklärte der lang-
jährige HSV-Masseur Hermann
Rieger später einmal. Rieger spurtete
los, mit ihm Axel Fielker, damals
noch Assistenzarzt und an jenem
Bundesligaabend als Vertretung für
Mannschaftsarzt Ulrich Mann auf der
Hamburger Bank. Sekunden später
erkannte Rieger, warum Jakobs nicht
mehr aufstehen konnte: Ein Kara
binerhaken zum Spannen des Tor
netzes hatte sich in Höhe des
Turin in Athen den Europapokal der
Landesmeister, 1987 mit dem 3:1
gegen die Stuttgarter Kickers den
DFB-Pokal.
Und er war zum Nationalspieler
aufgestiegen. Am 13. Mai 1980
wechselte ihn Bundestrainer Jupp
Derwall beim 3:1-Erfolg gegen Polen
in Frankfurt erstmals ein; nach mehr
als vier Jahren Pause feierte er im
ersten Spiel unter Teamchef Franz
Beckenbauer, beim 1:3 gegen Argen-
tinien in Düsseldorf, seine Rückkehr
und erzielte dabei prompt sein einzi-
ges Länderspieltor. Bei der WM 1986
in Mexiko fehlte er nur in der Auftakt-
partie gegen Uruguay (1:1) und be-
stritt sechs Spiele, darunter das
große, mit 2:3 verlorene Finale erneut
gegen Argentinien, mit dem seine
Nationalmannschaftskarriere nach
20 Berufungen wieder endete.
Doch zurück ins Volksparkstadion,
zurück zu jenem kühlen Herbstabend
des Jahres 1989. Scheinbar un
aufhaltsam fliegt der Ball Richtung
IMMER NOCH GUT IN SCHWUNG AUCH OHNE FUSSBALL:
DITMAR JAKOBS HÄLT SICH MIT GOLFSPIELEN FIT.