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AKTUELL IM BLICKPUNKT
FUSSBALL-WM IN BRASILIEN
Guido Buchwald erinnert sich an den italienischen Sommer vor 24 Jahren, als Deutschland
zum letzten Mal Weltmeister wurde. Er war der beste Sechser der Welt – und am 8. Juli 1990
im Finale in Rom zu gut für den besten Fußballer der Welt. Wenn der Stuttgarter heute
einkaufen geht, kann es sein, dass wildfremde Menschen von der anderen Straßenseite
herüberrufen: „Hallo, Diego!“ Oskar Beck, dem vielfach preisgekrönten Sportfeuilletonisten,
erzählt Buchwald die Details einer traumhaften Reise zur Nacht von Rom – und wie er am Ende
doch noch einen wichtigen Zweikampf verlor.
Guido Buchwald, der WM-Titel 1990 und Beckenbauers Lobeshymne: „Siebenmal Weltklasse!“
Die Saturn V war die Startrakete bei
den Apollo-Flügen auf den Mond, und
sie ähnelt den Gefühlen eines jeden
fußballbegeisterten Buben – denn
auch dessen Träume sind dreistufig.
„Zunächst“, erinnert sich Guido
Buchwald, „träumst du davon, Profi
zu werden. Danach willst du Natio-
nalspieler werden. Und dann Welt-
meister.“ Der strebsame Schwabe
hat sogar die vierte Stufe geschafft:
Am Ende nannten ihn alle „Diego“.
Doch bevor wir hier erzählen, wie ein
verwirklichter Traum sich anfühlt,
haken wir erst einmal die Kehrseite
ab: Den Albtraum des wahren Diego.
Der war grausam an jenem 8. Juli
1990 im Finale der Weltmeister-
schaft zwischen Deutschland und
Argentinien im Olympiastadion in
Rom, und von Minute zu Minute
wurde die Qual unerträglicher.
„Am Anfang war er gut drauf“, sagt
Buchwald im Rückblick, „aber dann
wurde er immer gereizter.“
Diego Maradona wurde Opfer der
üblen Laune. Der Argentinier war der
größte Fußballer seiner Zeit, trotz
seiner nur Einssiebzig mit Stollen,
doch im Lauf des Spiels, berichtet
sein Peiniger, „ist er immer kleiner
geworden.“ Und irgendwann, nach
einem weiteren verlorenen Zwei-
kampf, saß der entzauberte Magier
am Boden, schüttelte den Kopf – und
nie, sagt Buchwald, wird er diesen
Anblick vergessen, als der kleine,
große Gaucho sein komplettes
Englisch zusammenklaubte und
resignierend zu ihm hochstöhnte:
„You again?“ – Du schon wieder?
Mehr Kapitulation geht nicht. Kampf-
unfähiger hat auch Joe Frazier nicht
dreingeschaut, als er anno 1975 beim
„Thrilla in Manila“ gegen Ali auf seinem
Pausenhocker sitzenblieb. Doch der
Ritterschlag, lacht Buchwald, war
dann vollends, „dass der Rubenbauer
im Fernsehen rief: Unser Diego!“
„Diegos“ Mondflug
zur Nacht von Rom
KARRIEREHÖHEPUNKT:
GUIDO BUCHWALD ALS
WELTMEISTER 1990.
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