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NEUE SERIE
DER „VERBORGENE“ NATIONALSPIELER
Am Tag darauf stornierte er seinen
für die WM-Wochen gebuchten Ur-
laub in, na klar, Italien. „Du kannst
deinen Urlaub buchen“, sagte der
Teamchef zu ihm, „aber in Mexiko.“
Und so lag er im Juni 1986 nicht,
wie geplant, irgendwo an einem
Strand in Apulien, sondern zusam-
men mit seinem Vereinskollegen
Klaus Augenthaler auf dem ge­
meinsamen Zimmer im Quartier der
Nationalmannschaft in Mexiko.
Eder spielte eine starke WM, stand
in den drei Gruppenspielen gegen
Uruguay, Schottland und Dänemark
ebenso in der Anfangself wie im
Achtelfinale gegen Marokko, im Vier-
telfinale gegen Mexiko, im Halbfinale
gegen Frankreich und im Finale ge-
gen Argentinien. „Einen direkten Ge-
genspieler hatte ich nicht. Ich spielte
im Raum und nahm alle, die kamen.
Wir sind überhaupt nicht gut gestar-
tet, haben uns dann aber extrem ge-
vor Beginn der WM in Mexiko, dieser
Anruf. 31 Jahre hatte Eder damals
auf dem Buckel, 15 Amateurländer-
spiele und eine Berufung in die
B-Nationalmannschaft. „Ich fragte
Franz Beckenbauer, wie er diesen
Schritt der Presse erklären wolle.
Er antwortete, die Presse sei ihm
egal. Er brauche Spieler wie mich,
richtige Kerle, die genug Erfahrung
und keine Angst hätten.“
Drei Wochen vor der WM, im vor­
letzten Testspiel gegen Jugoslawien,
schlüpfte Eder erstmals ins National-
trikot. An der Seite langjähriger Leis-
tungsträger wie Toni Schumacher,
Guido Buchwald, Karlheinz Förster,
Lothar Matthäus, Pierre Littbarski
und Rudi Völler feierte er am 11. Mai
1986 seine Premiere; beim mageren
1:1-Unentschieden in Bochum gab’s
nur einen Gewinner in der deut-
schen Elf – ihn, den sie in München
„Meister Eder“ nannten.
der Emmeramsmühle am Starnberger
See; bis in den Sonntagmorgen hinein
feierten die Bayern um Trainer Udo
Lattek ausgiebig wie nie zuvor ihren
neunten deutschen Meistertitel.
Am Sonntagabend dann, kurz vor
22 Uhr, klingelte das Telefon im
Hause Eder im Münchner Vorort
Unterhaching. „Ich war völlig kaputt
nach der Feier“, erinnert er sich,
„und kaum noch aufnahmefähig.“
Doch die Worte vom anderen Ende
der Leitung ließen ihn von einer
Sekunde zur anderen hellwach wer-
den: „Servus Norbert, hier ist der
Franz Beckenbauer. Ich möchte dich
zum Lehrgang nach Malente ein­
laden. Ich will dich mit zur Welt­
meisterschaft nehmen.“
Häufig hatte der Teamchef der Natio-
nalmannschaft den Abwehrspieler
beobachtet, nie hatte er mit ihm ge-
sprochen. Dann, gut einen Monat
EDER MIT DER MEISTERSCHALE 1985: DER GEBÜRTIGE UNTERFRANKE
WURDE MIT DEM FC BAYERN DREIMAL DEUTSCHER MEISTER UND EINMAL DFB-POKALSIEGER.
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