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SERIE SCHLÜSSELSPIELER ( TEIL 5)
ZENTRALES OFFENSI VES MITTELFELD
Die Bühne des privilegierten Ästheten, genialen Solisten und unumschränkten Alleinherr-
schers auf der Spielmacherposition ist inzwischen nahezu verwaist. Stattdessen teilen heute
mehrere Spezialisten mit unterschiedlicher Qualifikation auf hohem Niveau die Arbeit im
Kreativzentrum des Teams als Dienstleister untereinander auf. Mit unerlässlicher taktischer
Disziplin, perfekter Technik und höchstem läuferischen Aufwand.
Das zentrale offensive Mittelfeld als Terrain für Vielfalt, Dynamik und Mannschaftsgeist
Schon als Kind spürte der kleine
Mesut Özil, wohin er auf seinem Lieb-
lingsspielplatz gehörte. „Noch bevor
der Ball zu mir kam“, hebt der Natio-
nalspieler von heute hervor, „wusste
ich, wo meine Kameraden stehen.
Das ist meine große Qualität, eine
Art Instinkt, den man nicht lernen
kann und den ich immer hatte.“
Darum war dem Gelsenkirchener
Sohn türkischer Eltern früh klar,
dass er sein „Talent auf der zentralen
Position als Spielmacher am besten
entfalten“ könne. „Ich habe“, sagt er
beim Blick zurück auf seine Fußball-
laufbahn, „als Stürmer angefangen,
aber die Trainer merkten bald, dass
ich auf die Zehn gehöre.“
Die „10“ als mythische Rücken­
nummer für den Mann, der sein Spiel
zum Wohle aller in der Mannschaft
gestaltet, trägt er in der deutschen
Nationalelf aber nicht. Dort tritt
der Kombinationskünstler mit der
Rückennummer 8 an und auf. Die „10“
schmückte ihn dafür im Vereinstrikot
von Real Madrid, ehe er diese Edel-
marke des internationalen Klubfuß-
balls Anfang September 2013 nach
drei Jahren völlig überraschend ver-
ließ und zum FC Arsenal in die eng­
lische Premier League wechselte.
Arbeitsteilung im
Kreativzentrum
Özil ist, obwohl ein weltweit aner-
kannter Spiellenker, allerdings nicht
der klassische Typ Boss an seinem
Arbeitsplatz. Das mag auch mit
seinem zurückhaltenden Naturell zu
tun haben, rührt aber ebenso aus der
arbeitsteiligen Spielweise im moder-
nen Fußball. Darin bilden meist meh-
rere Profis das Kreativzentrum eines
Teams: ob in der Funktion des Vor­
arbeiters mit dem Blick fürs große
Ganze oder in der Rolle des pflicht­
bewussten Künstlers, der sich nicht nur
als Ideenlieferant, sondern auch als
Zuarbeiter für das Kollektiv versteht.
Sechser, Achter, Zehner, „falscher
Neuner“: Die Regisseure der Neuzeit
leben ihre Kreativität mit unter-
schiedlichen Schwerpunktaufträgen
aus und dürfen doch wie ihre Vorfah-
ren, die auf vermeintlich einsamer
Höhe mit Geniestreichen und Geis-
tesblitzen die Massen verzückten
und den Gegner verwirrten, bei Gele-
genheit Funken und Kapital aus ihrer
Überdosis an Klasse und Ballfertig-
keit schlagen. Weil in den zwischen
Pressing und Gegenpressing ange-
siedelten 4-2-3-1- oder 4-3-3- oder
4-4-2-Systemen von heute kaum
noch exklusiv Platz ist für den von
seinen Kollegen geschützten Solisten
und Vordenker.
Özil, Götze und
die Wandlung der „10“
BEGANN ALS STÜRMER UND
WECHSELTE SPÄTER INS ZENTRALE
MITTELFELD: MESUT ÖZIL.
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